LINDNER-Gastbeitrag: Arroganz gegen Milei und Musk können wir uns nicht leisten

Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner MdB schrieb für das „Handelsblatt“ (Montags-Ausgabe) und „handelsblatt.com“ den folgenden Gastbeitrag:

Deutschland braucht einen grundlegenden und an vielen Stellen sogar disruptiven Politikwechsel. Die Aussichten für die deutsche Volkswirtschaft sind schlecht und die Herausforderungen immens. Sprechen wir es aus: Unser Wohlstand ist bedroht. Wenn es nicht zu einer Wende kommt, wird der Lebensstandard sinken. Man muss kein Hellseher sein, um zu wissen, dass sich dann auch die Polarisierung unserer Gesellschaft weiter verstärken wird.

Es wird nicht ausreichen, an ein paar Stellschrauben ein wenig zu drehen und mit wenig ambitionierten Reformen die strukturellen Probleme zu überdecken. Ebenso wenig können das mittelfristige Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit herbeisubventioniert werden.

Aufschwung auf Pump wird kein Zukunftsmodell. Es wird stattdessen auf tiefgreifende Maßnahmen ankommen, um die Zukunftsfähigkeit Deutschlands zu sichern. Dabei werden wir uns nicht auf bereits bekannte Rezepte beschränken können, sondern müssen disruptive Ideen genauso in den Blick nehmen wie internationale Vorbilder.

Die Zeit ist schlicht vorbei, in der andere zu Deutschland aufgeschaut haben und wir das Modell waren. Ich habe oft genug erlebt, dass Repräsentanten unseres Landes inzwischen eher belächelt werden.

Die drängendsten Probleme Deutschlands sind das lähmende Regulierungsdickicht, die überbordende Bürokratie und der zu groß gewordene Staat.

Javier Milei und Elon Musk bieten zwei internationale Beispiele, wie diese Probleme angegangen werden. Dies nicht im Detail analysieren zu wollen, wäre angesichts der Lage unseres Landes eine Arroganz, die wir uns nicht mehr leisten können. Wir können und wir sollen nicht alles übernehmen. Davon lernen sollten wir schon. Javier Milei ist seit Dezember 2023 Präsident Argentiniens. Nach Jahrzehnten des Missmanagements reformiert er Volkswirtschaft und Staat.

Er verkleinert den dysfunktionalen Staat und setzt auf Freiheit. Die Anzahl der Ministerien wurde halbiert. Öffentliche Ausgaben werden konsequent gekürzt. Staatliche Unternehmensbeteiligungen sollen umfassend zurückgefahren werden. Die Zahl der Behörden und Beamten soll signifikant gesenkt werden. Für viele Teile der Wirtschaft werden Regulierungen radikal abgebaut und der Wettbewerb gestärkt.

Es stellen sich dabei erste Erfolge ein, so ist die monatliche Inflationsrate nach horrenden Zahlen in den Monaten davor auf 2,7 Prozent im Oktober zurückgegangen und der Staat verzeichnet nach Jahren hoher Defizite einige Monate mit Überschüssen. Der IWF prognostiziert für nächstes Jahr mit fünf Prozent eine der höchsten Wachstumsraten des BIP der G20-Staaten. Für Deutschland eine der niedrigsten.

Damit sind bei Weitem nicht alle Probleme Argentiniens gelöst, aber anstatt es abzutun, sollte man lieber zuschauen und erkennen, dass der Staat nicht zwingend immer Problemlöser ist, wie man hierzulande denkt, sondern dass er selbst zum Problem werden kann.

Elon Musk ist einer der erfolgreichsten Unternehmer unserer Zeit und soll eine wichtige Rolle in der kommenden US-Administration erhalten. Mit seinen Unternehmen hat er mit disruptiven Ideen Märkte erschlossen und revolutioniert. In der nächsten US-Regierung soll er ein „Department of Government Efficiency“ leiten, um massiv Regulierungen und Bürokratie abzubauen, die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst drastisch zu reduzieren und Behörden zu restrukturieren, insbesondere solche mit doppelten oder überflüssigen Zuständigkeiten.

Zudem sollen unnötige Ausgaben im dreistelligen Milliarden-US-Dollar-Bereich gekürzt werden. Die neue US-Administration beginnt ihre Arbeit erst am 20. Januar, aber von der Ambition können wir uns schon jetzt beeindrucken lassen.

Es stimmt: Sowohl Milei als auch Musk vertreten teilweise extreme, abwegige und bisweilen sogar bestürzende Ansichten und tragen diese mit provokanten Aktionen in die Öffentlichkeit. Dennoch wage ich zu sagen: Hinter den Provokationen von Milei und Musk steckt dennoch eine disruptive Energie, die Deutschland fehlt.

Die Augen vor wichtigen Impulsen und Konzepten zu verschließen, kann sich Deutschland nicht leisten. Bei einer Staatsquote um die 50 Prozent, rund 350.000 Beschäftigten allein im Bereich des Bundes (ohne Berufs- und Zeitsoldaten), unmittelbaren Beteiligungen des Bundes an 118 Unternehmen und mehr als 700 Bundesbehörden gibt es viel Potenzial, durch ambitionierte Eingriffe den Staat kleiner und dabei effizienter zu machen.

Auch wir brauchen mehr Disruption und eine wirkliche Wende hin zu Reformen, um die Grundlage für Wachstum und Wohlstand neu zu schaffen. Beunruhigend ist es, wenn der wahrscheinliche nächste Kanzler Friedrich Merz sich „entsetzt“ zeigt, wenn ich eine Prise Disruption mit Referenz zu Milei und Musk ins Spiel bringe.

Mit den Regierungen der USA und Argentiniens wird er kooperieren müssen. Da sollte man seine Worte wägen. Wie ich ihn kenne, wird er sie deshalb inzwischen bedauern. Für unser Land erhellend war, dass Merz für einen grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck in seinem Kabinett offen ist. Angesichts dieser schwarz-grünen Nähe werden wohl Liberale für die notwendige Disruption in unserem Land sorgen müssen.

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