KUBICKI-Interview: Die Hängepartie nach Willen des Kanzlers wird dem Land erheblichen Schaden zufügen

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende und Vizepräsident des Deutschen Bundestages Wolfgang Kubicki MdB gab „Welt.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Ulrich Exner:

Frage: War der Bruch der Ampel-Koalition zum jetzigen Zeitpunkt wirklich unvermeidbar?

Kubicki: Diese Frage müssen Sie dem noch amtierenden Bundeskanzler stellen. Ich habe bereits vor einigen Wochen darauf hingewiesen, dass wir schauen müssen, ob es noch eine gemeinsame Basis gibt. Oder ob man diese Koalition nicht besser in würdevoller Art und Weise beendet und möglichst zügig den Wähler zu Wort kommen lässt. Die wochenlange Hängepartie, die uns nach dem Willen des Kanzlers jetzt bevorsteht, wird dem Land jedenfalls erheblichen Schaden zufügen.

Frage: Verkehrsminister Volker Wissing, der aus Ihrer Partei austritt, hatte offensichtlich eine deutlich andere Wahrnehmung vom Zustand der Ampel-Koalition als FDP-Chef Christian Lindner und Sie. Liegt er damit komplett falsch?

Kubicki: Bitte sehen Sie mir nach, dass ich die Entscheidung von Volker Wissing nicht kommentieren möchte. Mich hat sein Schritt wirklich überrascht. Ich wünsche ihm alles Gute, und das war es dann auch.

Frage: Sie selbst haben in den vergangenen Monaten häufiger durchblicken lassen, dass auf der Ampel kein Segen mehr liegt. Wann ist Ihnen persönlich klar geworden, dass es tatsächlich nicht mehr geht?

Kubicki: Ich habe in den vergangenen Wochen immer mal wieder versucht, auf unsere Koalitionspartner dahingehend einzuwirken, dass wir noch einmal eine tragfähige Grundlage für diese Koalition finden. Wir hatten ja mal diesen wunderbaren Spirit, Deutschland positiv zu verändern. Dann haben sich die Rahmendaten verändert – jeden Tag gibt es jetzt Meldungen von bis zu 1000 verlorenen Arbeitsplätzen. Es muss sich wirtschaftlich schnell etwas ändern. Wir brauchen eine wettbewerbsfähige Wirtschaft. Dafür gab es offensichtlich keine gemeinsame Grundlage mehr.

Frage: Welche Rolle haben die miesen Umfragedaten für die FDP beim Auseinanderbrechen der Koalition gespielt?

Kubicki: Welche Rolle haben denn die Umfragen für den Wahlsieg von Donald Trump gespielt? Wir werden ja sehen, wie die Menschen sich entscheiden. Umfragen sind keine Wahlergebnisse. Es werden sich manche noch wundern, wie stark die FDP aus der Bundestagswahl hervorgehen wird. Ich bin mir jedenfalls nicht sicher, dass der Spitzenkandidat Olaf Scholz die Massen für die Wahl der SPD mobilisieren kann. Und ich bin auch nicht sicher, ob der Kanzlerkandidat Robert Habeck besonders viele Menschen dazu ermuntern kann, die Grünen zu wählen.

Frage: Waren Sie überrascht über den harten, den jeweils anderen herabsetzenden Ton, den sowohl der Bundeskanzler als auch der Finanzminister am Mittwochabend angeschlagen haben?

Kubicki: Was Olaf Scholz gemacht hat, habe ich tatsächlich als stillos empfunden. Menschlich so tief zu sinken, den ehemaligen Koalitionspartner persönlich anzugreifen und so zu tun, als könne er die Entscheidungen im Alleingang treffen und der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag Vorschriften machen, ist tatsächlich unterste Schublade. Dieser Abend diskreditiert Olaf Scholz als Ansprechpartner.

Frage: Ist es politisch klug, dass Parteien die Tür von beiden Seiten so krachend zuzuwerfen, wenn sie in der Zukunft wieder aufeinander angewiesen sein könnten?

Kubicki: Mich hat dieses Verhalten auch überrascht, und es geht auch nicht um Schuldzuweisungen. Aber natürlich wird es schwierig werden, vernünftige Gespräche zu führen mit einer Sozialdemokratie, die sich so ausrichtet, wie sie es im Moment tut. FDP und Sozialdemokraten können erfolgreich zusammenarbeiten. Aber nicht mehr mit einem Bundeskanzler Olaf Scholz.

Frage: Wie groß ist Ihre Sorge, dass die FDP mit der kommenden Bundestagswahl endgültig von der politischen Bildfläche verschwindet?

Kubicki: Unser Ziel ist es, erneut zweistellig zu werden. Das hat uns 2017 niemand zugetraut, 2021 auch nicht. Beide Male haben wir es geschafft. Wir werden es auch dieses Mal schaffen.

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