DJIR-SARAI/BIRKNER-Statement: Energie darf nicht zum Luxusgut werden
Im Anschluss an die Beratungen des Präsidiums der Freien Demokraten gaben FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und Stefan Birkner, FDP-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Niedersachsen, die folgenden Statements ab.
Djir-Sarai: Wir haben heute auf der Sitzung des FDP-Präsidiums ein Papier zum Thema Energieversorgung verabschiedet. Wir haben dabei selbstverständlich über die aktuelle politische Lage gesprochen und wir haben selbstverständlich eine Nachbetrachtung des gestrigen Tages vorgenommen.
Wie Sie wissen lege ich sehr viel Wert darauf: Ich bin Generalsekretär der FDP und nicht der Generalsekretär der Ampel oder der Koalition. Es ist für die Partei außerordentlich wichtig, dass in dieser Koalition die Handschrift der FDP erkennbar ist. Und was den gestrigen Tag anbetrifft, so ist aus meiner Sicht bei diesem Entlastungspaket die Handschrift der FDP erkennbar. Das haben wir auch gemeinsam vorhin festgestellt.
Das, was gestern verabschiedet wurde, kann sich aus meiner Sicht sehen lassen. Und das sagt auch sehr viel über diese Koalition. Diese Koalition ist nicht nur debattierfähig, sondern auch handlungsfähig. Sie haben mitbekommen, wie intensiv die Kommunikation zuletzt war. Aber am Ende des Tages waren wir in der Lage, gemeinsam gute Lösungen für das Land zu erreichen. Das kann sich sehen lassen und so kann man auch gut und konzentriert zusammenarbeiten.
Das heißt natürlich nicht, dass alle Themen ausgeräumt sind. Über alle Themen, die in den letzten Tagen und Wochen intensiv diskutiert wurden mit Blick auf die Frage der Energieversorgung und Energiesicherheit in diesem Land, werden wir natürlich eine ganze Reihe von Debatten haben, wo es auch große Unterschiede gibt.
Über die sogenannte Gasumlage haben wir ja in den letzten Tagen sehr intensiv gesprochen. Aus unserer Sicht ist ein weiteres Thema außerordentlich wichtig, und das ist das Thema Laufzeitverlängerung von Kernkarftwerken. Dieses Thema werden wir noch sehr intensiv innerhalb der Koalition behandeln. Wir warten jetzt ab, bis die Ergebnisse des Stresstests vorliegen, aber basierend darauf werden wir dann gemeinsam überlegen, was der richtige Ansatz ist.
Dazu haben wir heute ein Papier verabschiedet und ich bitte den Kollegen Stefan Birkner, der auch unser Spitzenkandidat in Niedersachsen ist, dieses vorzustellen.
Birkner: Die Energiepreis-Frage und die Versorgungssicherheit sind mit die entscheidenden Fragen, die wir übrigens nicht nur in ganz Deutschland, sondern auch im Landtagswahlkampf in Niedersachsen haben. Wenn man im Land unterwegs ist, ist das das, was die Menschen in besonderer Weise bewegt. Deshalb ist es so wichtig, dass es tatsächlich eine politische Antwort auf diese Fragestellungen gibt.
Der Beschluss zum dritten Entlastungspaket von gestern enthält dafür wichtige Punkte. Dazu gehört, das Strommarkt-Design anzugehen. Dazu gehört auch die Strompreisbremse für den Grundverbrauch und ein Blick auf den Gaspreis. Uns ist wichtig, dass der Bundeswirtschaftsminister hier jetzt auch tatsächlich Druck macht. In diesem Punkt muss es jetzt sehr dringend vorangehen und sehr schnell sehr konkret werden. Denn es sind keine Entwicklungen, denen wir allzu lange zuschauen können. Diese Preise gehen nicht, weder beim Erdgas noch beim Strom. Sie sind auf Dauer nicht aushaltbar und nicht durchhaltbar. Und deshalb braucht es entsprechende Antworten. Diese sind skizziert in dem Beschluss von gestern, müssen jetzt aber mit Leben gefüllt werden.
Darüber hinaus haben wir heute im Präsidium weitere konkrete Punkte beschlossen. Der erste Punkt ist, dass wir uns für den Weiterbetrieb der drei noch im Netz befindlichen Kernkraftwerke über den 31.12.2022 hinaus einsetzen. Aber wir sind der Überzeugung, dass der reine Betrieb nicht ausreicht, um in dieser Krise effektiv etwas entgegenzusetzen. Das hieße ja nur ein Weiterbetrieb für wenige Monate, keine zusätzlichen Strommengen.
Wir sind der Überzeugung, dass diese Krise nötig macht, zusätzliche Strommengen bereitzustellen und damit verbunden auch ein Signal zu geben, dass hier alle Erzeugungskapazitäten am Netz bleiben. Und im Übrigen auch zu verhindern, dass mehr Gas verstromt wird als unbedingt notwendig. Das muss ein Ende haben. Wir würden durch den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke verhindern, dass man auf mehr Kohle oder auf mehr Gas zurückgreifen muss. Das ist sowohl unter Klima-Gesichtspunkten als auch unter Strompreis-Gesichtspunkten sinnvoll.
Eine wichtige Forderung unsererseits lautet, neue Brennelemente für die drei Kernkraftwerke zu bestellen. Das hätte man schon längst machen können. Es gibt einen Hersteller, der vor einigen Monaten gesagt hatte, bis Ende des Jahres sei es noch möglich. Dann hätten wir schon andere Optionen als das, was wir jetzt erleben. Man muss es heute tatsächlich angehen.
Wir sprechen in dem Beschluss weitere wichtige Punkte an. Wir erleben eine Debatte darüber, wie wir LNG-Importe voranbringen. Da sind gerade die Küsten gefordert mit den Terminals. Aus niedersächsischer Perspektive sind Wilhelmshaven und Stade in besonderer Weise im Blick, aber auch Lubmin. Das muss zügig vorangehen. Da sind auch positive Entwicklungen zu vermelden.
Allerdings müssen wir, wenn wir LNG fördern, eine Debatte darüber führen, inwieweit auch die heimischen Erdgas-Ressourcen in den Blick genommen werden und ausgebeutet werden können. Das trifft für die Ressourcen in der Nordsee zu, insbesondere in der ausschließlichen Wirtschaftszone und an den Küsten. Da sprechen wir in diesem Beschluss sehr deutlich davon, dass Förderverbote, wie sie sich im Koalitionsvertrag von vor dem Ausbruch des Krieges noch finden, nicht mehr zeitgemäß sind.
Wir können nicht Energie aus anderen Regionen der Welt importieren, tiefgekühlt hierher karren, und gleichzeitig nicht bereit sein, die heimischen Ressourcen zu nutzen. Und mit Blick auf die Frage, was mit den abseits gelegenen Ressourcen geschehen soll: Hier gilt das, was im Wasserhaushaltsgesetz steht. Der Deutsche Bundestag muss die Ergebnisse der Kommission, die die Frage des Frackings betrachtet hat, endlich auswerten um dann diese Optionen auch abschließend bewerten zu können.
Abschließend noch kurz die weiteren Punkte: Natürlich ist die Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren entscheidend. Wir brauchen für ein Windrad durchaus mal sechs Jahre oder mehr, um das zu genehmigen – völlig aus der Zeit gefallen. Die erneuerbaren Energien sind der Schlüssel, um langfristig die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Aber die Wege dahin sind zu langsam, zu bürokratisch. Das muss schneller und effizienter werden. Die Geschwindigkeit bei den LNG-Terminals zeigt, was man machen kann. Dies wird ein Fokus sein, auch für die Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag, die einen ähnlichen Beschluss gefasst haben.
Perspektivisch spielt in besonderer Weise Wasserstoff eine Rolle, weil wir Wind-Überschüsse haben werden. Diese müssen über Elektrolyse in Wasserstoff umgewandelt werden, um sie dann auch tatsächlich als Ersatz für Gas zu nutzen. Dort gibt es wegweisende Projekte. Diese wollen wir weiter voranbringen, so wie auch für eine ideologiefreie und technologieoffene Erforschung neuer Generationen von Kernenergie eintreten.
Wir haben ja erlebt, dass mit dem Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland auch die Forschungstätigkeit weitgehend zum Erliegen gekommen ist. Das halten wir für einen großen Fehler. Und wir wollen der Forschung und Entwicklung in diesem Bereich eine Zukunft in Deutschland bieten, weil sich gerade auch im internationalen Kontext eine neue Generation der Kernkraftwerke zeigt, als eine anscheinend sichere und beherrschbare Technologie. Unter diesen Umständen wollen wir uns dieser Technologie auch öffnen und die ideologische Verbannung beenden. Vielen Dank.