DJIR-SARAI-Statement: Öffnungsschritte sind möglich und nötig!
Im Anschluss an die digitalen Beratungen des Präsidiums und des Bundesvorstands der Freien Demokraten gab der designierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai folgendes Statement ab:
Die Coronapandemie hat uns als Gesellschaft viel abverlangt. Zwei Jahre Pandemie haben Hoffnungen genommen, Kräfte erschöpft und Narben auf der Seele hinterlassen. Nun ist ein Wendepunkt erreicht. Das Infektionsgeschehen verliert an Dynamik. Erstmals seit Dezember sind die Inzidenzzahlen gesunken. Die Zahl der Krankheitsfälle auf den Intensivstationen bleibt weit hinter den Befürchtungen zurück. Eine Überlastung des Gesundheitssystems ist in der Omikron-Welle nicht mehr zu befürchten.
Damit ist die Rechtfertigungsgrundlage für Corona-Auflagen nicht länger gegeben. Auch der Expertenrat der Bundesregierung hat gestern Öffnungsschritte gefordert. Die Notwendigkeit von Öffnungen, die wir Freie Demokraten als erste ins Spiel gebracht haben, lässt sich nicht mehr wegdiskutieren. Wir müssen den Menschen in unserem Land zeigen, dass ein Ende der freiheitseinschränkenden Maßnahmen unmittelbar bevorsteht.
Wir haben immer klargemacht, dass die Politik Maßnahmen zurücknehmen muss, sobald die Gefahrenlage es zulässt. Mit Blick auf die anstehenden Bund-Länder-Gespräche am Mittwoch sage ich daher klipp und klar: Öffnungsperspektiven sind nicht nur möglich. Sie sind nötig! Wir brauchen jetzt einen Fahrplan für sukzessive Öffnungsschritte, die sich an nachvollziehbaren Kriterien orientieren und die die Menschen im Alltag spürbar entlasten. In einem weiteren Schritt sollten mit dem 20. März alle Maßnahmen gefallen sein.
Ich habe bereits ausdrücklich gesagt, dass ich eine Verlängerung der derzeitigen Regelungen für absolut falsch halte. Ich erwarte von der Bund-Länder-Runde, dass Beschlüsse gefasst werden, die deutlich machen, dass weitere Schritte folgen werden. Es gibt viele Regelungen, die man bereits jetzt zurücknehmen muss. In fast allen Bundesländern wurde die 2G-Regel im Einzelhandel bereits abgeschafft. Das ist schön und gut, aber nicht ausreichend. Es müssen darüber hinaus weitere Schritte folgen. Ich denke insbesondere an die Kontaktbeschränkungen für Geimpfte. Auch das Hotelgewerbe und die Kultur müssen von spürbaren Öffnungsschritten profitieren.
Dabei steht außer Frage, dass wir uns noch immer in einer Pandemie befinden und dass sich die Lage auch wieder verschlechtern kann. Sollte es dazu kommen, kann das Parlament umgehend Schutzmaßnahmen beschließen. Das gilt im Übrigen auch für eine mögliche Verlängerung der Maskenpflicht. Es ist daher absolut nicht zu rechtfertigen, etwaige Freiheitseinschränkungen als präventive Maßnahme für eine Situation, die vielleicht niemals eintritt, in Kraft zu lassen. Ich erwarte, dass genau dieses Signal am Mittwoch von der Bund-Länder-Runde ausgeht. Das ist die Politik den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land schuldig.
Zum Thema Ukraine und Russland: Der Bundeskanzler reist morgen am 15. Februar nach Moskau. Zweifellos stehen dort schwierige Gespräche an, wie ich als langjähriges Mitglied des Auswärtigen Ausschusses auch gut nachvollziehen kann. Es ist essenziell, dass Deutschland an direkten Gesprächen mit Russland unmittelbar beteiligt ist und nicht an der Seitenlinie steht. Von dieser Reise muss eine klare Botschaft ausgehen: Wir stehen an der Seite der Ukraine. Die Prinzipien des Völkerrechts und der europäischen Friedensordnung sind nicht verhandelbar.
Ich erwarte von Bundeskanzler Scholz, dass er Präsident Putin unmissverständlich klar macht, dass der Irrweg Russlands in die eigene Isolation führt. Der russische Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine hat die explosive Lage herbeigeführt. Präsident Putin muss verstehen, dass der Preis für Russland enorm hoch wäre, sollte er die Lage eskalieren. Zugleich muss deutlich gemacht werden, dass ein diplomatischer Ausweg aus der Gefahrenlage möglich ist, wenn Moskau von weiteren Aggressionen gegenüber der Ukraine Abstand nimmt und seine Truppen an der Grenze reduziert. Ich hoffe nach wie vor auf eine friedliche Beilegung des Konflikts. Erfreulicherweise hat der Bundeskanzler zuletzt selbst gesagt, dass alle Optionen auf dem Tisch liegen. Das ist auch ein Zeichen an unsere europäischen Partner. Die Sprache des Einflusses können wir als Europäer nur nutzen, wenn wir mit einer Stimme sprechen.
Für ein wichtiges Signal halte ich übrigens, dass Bundeskanzler Olaf Scholz nunmehr von Journalisten der Deutschen Welle begleitet wird. Genau jenes Senders also, der jüngst Opfer staatlicher russischer Repression geworden ist. Das Thema Medienfreiheit gehört bei den nun anstehenden Gesprächen ebenfalls auf die Tagesordnung.
Das Thema Migration und Asylpolitik ist ebenfalls ein Thema, bei dem die europäische und internationale Zusammenarbeit von enormer Bedeutung ist. Wir Freie Demokraten haben stets für einen Kurs geworben, der Offenheit und Willkommenskultur mit Ordnung und klaren Regeln vereint.
Die Bundesinnenministerin hat zuletzt für eine „Koalition der Willigen“ in der europäischen Asylpolitik geworben. Wir Freie Demokraten stehen hinter diesem Vorschlag. Deutschland ist ein Einwanderungsland. Menschen, die zu uns kommen, unsere Werte teilen und die ihren Weg bei uns machen wollen, sind eine absolute Bereicherung für unsere Gesellschaft. Als Koalition wollen wir deshalb einen Neuanfang in der Migrations- und Integrationspolitik, der einem modernen Einwanderungsland gerecht wird.
Trotzdem dürfen wir den zweiten Schritt nicht vor dem ersten machen. Es muss klar sein, dass Menschen, die unsere Werte nicht teilen und die straffällig werden, nicht bei uns bleiben können. Wir haben als Koalition daher vereinbart, dass die Rahmenbedingungen für Rückführungen durch entsprechende Abkommen mit den Herkunftsländern verbessert werden müssen. Der zuständige Sonderbeauftragte der Bundesregierung muss daher zeitnah benannt werden. Ich sehe den Ball da beim Bundesinnenministerium.
Wenn wir glaubwürdig demonstrieren, dass Humanität und Kontrolle Hand in Hand gehen, dann, so bin ich überzeugt, werden wir auch Skeptiker auch etwa in den osteuropäischen Staaten für dieses Thema gewinnen können. Das würde den in dieser Zeit so dringend benötigten europäischen Zusammenhalt weiter stärken.
Vielen Dank!