DJIR-SARAI-Interview: Es muss klare Signale geben, dass illegale Einwanderung nicht von Erfolg gekrönt ist.
Der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai gab den Zeitungen der „Mediengruppe Bayern“ (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Mareike Kürschner und Thomas Vitzthum:
Frage: Die Zugangszahlen von Migranten sind schon jetzt an etlichen Grenzübergängen mehr als doppelt so hoch wie im Jahr 2022. Ist die Situation außer Kontrolle?
Djir-Sarai: Das würde ich nicht sagen. Trotzdem ist Migration eine zentrale Herausforderung. Die Überforderung der Kommunen ist real. Die Mehrheit der Menschen in unserem Land ist weltoffen und tolerant, möchte aber wissen, wer zu uns kommt. Sie wollen, dass Zuwanderung nach rechtsstaatlichen Kriterien erfolgt. Bei den Themen Begrenzung, Steuerung und Kontrolle von Zuwanderung muss die Politik deutlich besser werden.
Frage: Aber die Menschen wünschen sich nicht nur, dass sie wissen, wer kommt, sondern dass weniger illegale Migranten kommen. Wie wollen Sie denn begrenzen?
Djir-Sarai: Auf der nationalen wie auf der europäischen Ebene brauchen wir Migrationsabkommen. Wir müssen neben Georgien und Moldau auch weitere Staaten wie Algerien, Marokko und Tunesien zu sicheren Herkunftsstaaten erklären. Darüber hinaus müssen wir viel besser werden bei den Rückführungen und konsequent abschieben, auch in Länder wie Afghanistan. Dahin schieben wir bisher niemanden ab. Dafür muss die Regierung Wege finden. Die Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems war ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung, dem weitere folgen müssen. Diese Einigung hat gezeigt: Der Wille ist da und auch die Erkenntnis, über die Verbesserung der Grenzschutzfähigkeit der Europäischen Union zu sprechen, über physische Grenzen und Zäune. Das waren viel zu lange Tabuthemen.
Frage: Glauben Sie, dass die legalen Wege die illegalen austrocknen werden? Derzeit kommen etwa viele Türken illegal, obwohl sie legale Möglichkeiten hätten.
Djir-Sarai: Es muss klare Signale geben, dass illegale Einwanderung nicht von Erfolg gekrönt ist. Wir dürfen keine Anreize schaffen, die Menschen dazu verleiten, diesen gefährlichen Weg auf sich zu nehmen und sich dadurch selbst in größte Gefahr zu bringen.
Frage: SPD und Grüne fordern einen Industriestrompreis, um energieintensiven Unternehmen zu helfen. Der Kanzler und die FDP wollen das nicht. Wer knickt ein?
Djir-Sarai: Wir können nicht jede Form der wirtschaftlichen Tätigkeit in Deutschland subventionieren. Von einem subventionierten Strompreis werden einige wenige profitieren, viele andere müssen das finanzieren. Enorme Wettbewerbsverzerrungen sind die Folge, das macht die FDP nicht mit. Zudem würde ein subventionierter Strompreis die Energiepreise nach oben schießen lassen. Denn es gibt ja dann kaum Anreize für die energieintensiven Branchen, energieeffizient zu arbeiten. Dieses Modell geht nicht auf.
Frage: Was schlagen Sie stattdessen vor?
Djir-Sarai: Wir plädieren für eine Senkung der Stromsteuer. Und dafür, die drei Kernkraftwerke, die wir unlängst abgeschaltet haben, wieder zu reaktivieren. Dann bräuchten wir gar nicht über teure Subventionen zu reden. Das wäre ein sehr pragmatischer Ansatz. Wenn die SPD nun von Brückentechnologie spricht, ist doch die Laufzeitverlängerung für die Kernkraftwerke eine solche Brücke.
Frage: Ihr Finanzminister nannte die Kindergrundsicherung die „letzte große sozialpolitische Reform“, die man sich leisten könne. Zurecht?
Djir-Sarai: Ich stimme Christian Lindner voll und ganz zu. Man muss doch zur Kenntnis nehmen, dass die Welt sich seit Zustandekommen des Koalitionsvertrags verändert hat. Ich habe damals gedacht, die allergrößte Herausforderung werden die sozialen und wirtschaftlichen Kosten der Pandemie sein. Die sind zwar da. Aber die größere Herausforderung ist mittlerweile der russische Angriffskrieg mit all seinen Folgen. Und deswegen sind weite Teile des Koalitionsvertrages, vor allem wenn es um eine Ausweitung des Sozialstaates geht, nicht mehr realistisch und umsetzbar. Jetzt geht es darum, den Wirtschaftsstandort Deutschland wettbewerbsfähig zu machen, Rahmenbedingungen für Wachstum und Entlastung zu schaffen. Jetzt geht es darum, Bürokratie abzubauen, die Inflation zu bekämpfen.
Frage: Arbeitsminister Hubertus Heil erhöht das Bürgergeld für Alleinstehende um 61 Euro. Also doch noch eine sozialpolitische Reform?
Djir-Sarai: Für die Betroffenen ist das natürlich erst mal eine erfreuliche Nachricht. Aber wir müssen aufpassen, dass das Lohnabstandsgebot gewahrt bleibt. Es muss einen Unterschied geben, ob jemand arbeitet oder nicht arbeitet. Wichtiger wäre es, die Rahmenbedingungen zu verbessern, damit die Menschen in den Arbeitsmarkt zurückkehren. Wir brauchen doch jeden.
Frage: Bald wird in Bayern und Hessen gewählt. Die FDP muss bangen. Sie wird doch in Berlin in der Koalition zerrieben. Wie lange geht das noch so?
Djir-Sarai: Nein, wir werden nicht zerrieben. Wir setzen in dieser Koalition eine Menge um. Die nächste Bundestagswahl ist in zwei Jahren. Als Generalsekretär verfolge ich ganz klar das Ziel, dass wir bei der nächsten Bundestagswahl zweistellig abschneiden. Und zwar zum dritten Mal in Folge. Ein Jahr vor der Bundestagswahl waren wir in den Umfragen bei vier Prozent. Am Ende haben wir elf geschafft. Was die Landtagswahlen betrifft, so werden wir in Hessen ein gutes Ergebnis holen. In Bayern schaffen wir den Einzug, da bin ich mir sicher.