Freie Demokraten trauern um Klaus Kinkel
Kinkel habe sich „um diese Partei, aber vor allen Dingen auch um unser Land hoch verdient“ gemacht. „Er verkörperte vieles von dem, was wir brauchen: Vernunft, Offenheit und Toleranz. In diesen gefährlichen Zeiten sei Kinkels Bekenntnis zu Europa und dessen Grundwerten nötiger denn je“, zollt er dem starken moralischen Kompass des liberalen Urgesteins seinen Respekt. „Wir verlieren mit ihm einen väterlichen Freund. Er war uns bis in diese Tage ein weiser und bisweilen leidenschaftlicher Ratgeber. Dabei war er immer loyal und diskret. Wir werden ihn sehr vermissen“, so Lindner. Was er auch tat, er sei in rauem Umfeld ein prinzipientreuer, liebenswürdiger und bescheidener Mensch geblieben: „Er wird uns fehlen.“
Der FDP-Chef Christian Lindner erklärte: „Als Bundesvorsitzender hat er sich von 1993 bis 1995 für unsere Partei in schwieriger Zeit in die Pflicht nehmen lassen und hat sie trotz damals schlechter Ausgangslage wieder in den Bundestag und die Bundesregierung geführt. Was er auch tat, er ist in rauem Umfeld ein prinzipientreuer, liebenswürdiger und bescheidener Mensch geblieben. Er wird uns fehlen.“
FDP-Generalsekretärin Nicola Beer zeigte sich ebenfalls tief bewegt vom Tod dieses verdienstvollen Liberalen aus Baden-Württemberg: „Dr. Kinkel bleibt mir als humorvoller, bescheidener, umgänglicher Mitstreiter für liberale Ziele in Erinnerung.“ Auch Baden-Württembergs FDP-Landeschef Michael Theurer reagierte bestürzt auf den Tod seines Parteifreundes. „Wer das Glück hatte, ihm persönlich begegnet zu sein, wird ihn nicht vergessen“, sagte Theurer über den gebürtigen Schwaben. „Zusammen mit Hans-Dietrich Genscher war er in Zeiten großer innen- und außenpolitischer Herausforderungen Verteidiger des liberalen Rechtsstaats“.
„Er hat seinem Land in höchsten Staatsämtern gedient. Als Außenminister hat er erfolgreich eine Linie des friedliebenden Dialogs und des Ausgleichs verfolgt. Er war immer glühender Europäer“, erinnerte Präsidiumsmitglied Marco Buschmann an den Streiter für Freiheit und Demokratie. In seiner Zeit als Justizminister habe Kinkel für Vernunft und Augenmaß gestanden. Doch vor allem sei er in all diesen Ämtern immer eines geblieben: er selbst. Als „immer humorvoll, pragmatisch, bodenständig und vor allen Dingen auch unkompliziert“, beschrieb Buschmann seinen Parteifreund: „Er wird uns immer unvergessen bleiben.“
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag, Florian Toncar, ehrte Kinkel im Namen seiner Fraktion. Sie trauere um eine Persönlichkeit, „die unser Land in einer historischen Umbruchphase in Regierungsverantwortung mitgestaltet, die Partei in einer politisch schwierigen Phase geführt und unsere Fraktion menschlich und politisch bereichert und geprägt hat wie kaum ein anderer.“
Toncar bekräftigte, dass Kinkel auch nach seinem Ausscheiden aus den Regierungsämtern 1998 und seinem Ausscheiden aus dem Bundestag 2002 insgesamt ein hilfsbereiter, wohlwollend-direkter Ratgeber gewesen ist. „Wir verlieren neben einem herausragenden Politiker einen einzigartigen Menschen, der für viele seiner früheren Kollegen stets auch ein guter Freund geblieben ist und der für viele Jüngere aufgrund seiner Aufgeschlossenheit zu einem besonders verehrten und geschätzten Gesprächspartner wurde.“
Karl-Heinz Paqué und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger würdigten den Menschen und Politiker Klaus Kinkel. „Europa wächst nicht aus Verträgen, es wächst aus den Herzen seiner Bürger oder gar nicht“, so lasse sich sein politisches Erbe zusammenfassen, meint der Vorstandsvorsitzende der Stiftung für die Freiheit. Leutheusser-Schnarrenberger, die Klaus Kinkel als Justizministerin in Bonn nachfolgte, erklärte: „Sein Verdienst um die Deutsche Einheit, als er in einem kaum vorstellbaren Kraftakt das DDR-Recht in den Einigungsvertrag überführte, kann gar nicht genug gewürdigt werden.“
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel kondolierte: „Ich trauere um einen treuen Weggefährten aus der Zeit nach der deutschen Wiedervereinigung. Klaus Kinkel war ein großer Liberaler und ein kompromissloser Streiter für Freiheit und Demokratie.“ EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bezeichnete den verstorbenen FDP-Politiker als großen Europäer. Als Bundesaußenminister habe er von 1992 bis 1998 die Weichen gestellt, „um das wiedervereinte Deutschland im Herzen des wiedervereinten Europas zu verankern“, schrieb Juncker: „Uns verlässt ein deutscher Patriot und ein großer Europäer.“
Ein aufrechter Mann
Dr. Klaus Kinkel wurde am 17. Dezember 1936 im baden-württembergischen Metzingen geboren. Dem Studium der Rechtswissenschaften in Tübingen und Bonn folgte die Promotion zum Dr. iur. an der Universität Köln im Jahre 1964. Nach verschiedenen Stationen in der öffentlichen Verwaltung ernannte der damalige Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher Klaus Kinkel 1970 zu seinem persönlichen Referenten, ab 1974 leitete er das Ministerbüro. Von 1974 bis 1978 war er Chef des Leitungsstabes beziehungsweise des Planungsstabes des Auswärtigen Amtes.
Am 1. Januar 1979 begann Klaus Kinkel als erster Zivilist seine Karriere als Präsident des Bundesnachrichtendienstes. Nach dem Machtwechsel zu Schwarz-Gelb 1982 kehrte er als Staatssekretär im Justizministerium in die damalige bundesdeutsche Hauptstadt Bonn zurück. In dieser Funktion war er nach dem Fall der Mauer auch am deutsch-deutschen Einigungsvertrag beteiligt.
Er hat wesentliche Grundlagen für die Vollendung der staatlichen Einheit Deutschlands gelegt, zunächst als Staatssekretär und dann als Minister im Bundesministerium der Justiz. Ihm ist es maßgeblich mit zu verdanken, dass dem Terror der RAF ein Ende gesetzt werden konnte.
Prinzipientreuer, liebenswürdiger und bescheidener Mensch
Nach Genschers Rücktritt folgte er auf diesen 1992 als Außenminister und ab 1993 bis 1998 auch als Vizekanzler unter Helmut Kohl.
Kinkel führte das Auswärtige Amt über sechs Jahre lang. Es war die Zeit nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, die Jahre vor dem 11. September. Verglichen mit heute einigermaßen ruhige Zeiten. Später sagte er einmal: „Die Welt war damals nicht in Ordnung. Aber sie schien es zu sein.“ Kinkel hat als Außenminister während der Phase der NATO-Osterweiterung in Russland um Vertrauen für Deutschland geworben.
In einem seiner letzten Interviews mit der deutschen Ausgabe der „Huffington Post“ klagte er vergangenes Jahr: „Die ordnende Weltmacht Amerika ist unter Trump zu einem gigantischen Unruhefaktor geworden. Es ist zum Fürchten und Lachen, wenn es nicht so traurig wäre.“ Er kam zu der Erkenntnis: „Man hat selbst als Außenminister eines großen Landes nur beschränkte Möglichkeiten gegenüber den Problemen der Welt. Ich jedenfalls bin als Außenminister eher demütig geworden.“
Kinkels Verdienste
Ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit seien die Mitwirkung am deutsch-deutschen Einigungsvertrag, die Aufarbeitung politischer Straftaten in der DDR, der Aufbau einer funktionierenden Justiz in den neuen Bundesländern und das Eigentumsrecht (Rückgabe vor Entschädigung) genannt. Als Bundesaußenminister war er treibende Kraft beim EU-Beitritt von Schweden, Finnland und Österreich und betrieb sowohl die Einbindung der osteuropäischen Staaten in EU und NATO als auch ein partnerschaftliches Angebot an Russland, etwa durch die NATO-Russland-Charta und den NATO-Russland-Rat. Kinkel forderte zudem immer wieder unmissverständlich die Einhaltung von Menschenrechten ein. So engagierte er sich sehr für eine Beendigung des Krieges im früheren Jugoslawien und brachte bereits 1995 die Idee einer transatlantischen Freihandelszone auf die politische Agenda.