Europa muss Kontinent der Demokratie, des Rechtsstaats und der Menschenrechte bleiben
Alexander Graf Lambsdorff fürchtet, dass in Europa der Widerstandsgeist gegen die Feinde von Freiheitsrechten und Demokratie schwächer wird. In seinem aktuellen Buch erklärt der Politiker, was dagegen helfen könnte.
Aufgrund der ständigen Verschärfung des Konflikts zwischen China und den USA stehe Europa, und somit auch Deutschland, vor völlig neuen geopolitischen Herausforderungen. Für FDP-Außenexperte Alexander Graf Lambsdorff sei es daher höchste Zeit diese endlich zu verstehen und fordert einen radikalen Perspektivwechsel. Europa sei nicht mehr der Nabel der Welt. Doch „European Way of Life“ habe eine Zukunft, wenn Europa endlich weltpolitisch auftrete, erklärt der Freie Demokrat.
Besonders in Zeiten, in denen autoritär-diktatorische Regime auf aggressive Weise ihre Interessen durchzusetzen suchen und im Falle Chinas gar nach globaler Dominanz streben, müsse der „European Way of Life“ gewahrt werden. Dabei gehe es um „Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, aber auch um Kultur, sozialen Ausgleich und Umweltschutz“, führt Lambsdorff in einem Interview mit der „Allgäuer Zeitung“ aus.
Doch Lambsdorff fürchtet, dass in Europa der Widerstandsgeist gegen die Feinde von Freiheitsrechten und Demokratie schwächer wird. „Meine Sorge ist, dass wir die Europäische Union nur als Hülle behalten, dass viele die EU nur noch als Mechanismus zu Koordination von Krisen verstehen“, erklärt der Politiker. Doch genau jetzt brauche es den Geist der Gemeinsamkeit, „für den Leute wie Helmut Kohl, Hans-Dietrich Genscher oder Giscard d’Estaing standen.“ Europa müsse endlich den Kopf heben, „um zu sehen, dass wir von Entwicklungen abhängig sind, die außerhalb von Europa passieren. Wir müssen einen Bogen schlagen vom rein europäischen ins globale Denken.“
Europa müsse die aggressive Politik Chinas zurückweisen. Denn man dürfe nicht vergessen, dass China eine kommunistisch-maoistische Diktatur ist und die Vision habe, die auf Dominanz und Unterordnung hinauslaufe, so Lambsdorff. Das kollidiere mit dem europäischen Verständnis von einer freiheitlichen, auf dem Völkerrecht basierenden multilateralen Weltordnung. „Ich glaube, dass wir – bei allen Unterschieden – aufgrund unserer Werte und zu unserem eigenen Glück fest in der EU und im westlichen Bündnis verankert sein müssen“, erklärt der Freie Demokrat. Besonders die Wirtschaft brauche laut Lambsdorff eine Asien-Strategie, die über China hinausblickt. Denn: „Das Risiko im Falle eines verschärften Konflikts zwischen den USA und China — und dieser Konflikt wird kommen — würde sich für unsere Volkswirtschaft vermindern, wenn wir nicht alles auf ein Pferd setzen.“
Doch auch die letzten vier Jahre in den USA müssen Europa eine Lektion sein. „Demokratie ist verwundbar. Aus Worten können Taten werden. Aus Hassparolen kann Mord werden“, erklärt Lambsdorff. Auch Deutschland müsse sich fragen, wie unsere Demokratie verbessert werden kann. Denn: „In den USA hat man gesehen, was passieren kann, wenn die Gesellschaft gleichsam in einer Soße aus Lügen mariniert wird. Das Land und seine politische Kultur werden vergiftet.“ Deshalb sei es Aufgabe aller Demokraten sehr klar und hart schon den kleinen Lügen entgegenzutreten. „Nationalismus führt dazu, dass eine Gruppe sich herausnimmt, zu definieren, wer zum Volk gehört und wer nicht. Wer dann ausgegrenzt wird, wird zum Menschen zweiter Klasse erklärt. Es reicht ein kurzer Blick in die deutsche Geschichte, um zu erkennen, wohin so etwas führen kann.“