Eine Frage der Leistungsgerechtigkeit
In der Diskussion um den Haushalt hat der FDP-Vorsitzende und Finanzminister Christian Lindner deutlich gemacht, dass es jetzt um Konsolidierung geht. Für ihn ist zudem eine Reform des Bürgergelds Teil seines Konzepts für eine umfassende Wirtschaftswende.
In der Finanzplanung für das kommende Jahr klafft aktuell noch eine Lücke in zweistelliger Milliardenhöhe. „Es gibt keine Mehreinnahmen, die zu verteilen sind, sondern jetzt geht es um Konsolidierung“, sagte FDP-Chef Christian Lindner. Deshalb müsse das Verfahren zur Aufstellung des Haushalts verändert werden. Es funktioniere nicht, wenn die Ministerien wie in den vergangenen Jahren zuerst ihre Wünsche anmeldeten. Nötig seien vielmehr „gemeinsame strategische Maßnahmen“, um das Loch zu stopfen. „Ich sehe noch viele Stellen, an denen wir zu notwendigen Prioritätensetzungen kommen können“, erläuterte Lindner.
Er stellte zugleich klar: „Die Haushaltsaufstellung darf nicht durch heimliche Steuererhöhungen erfolgen. Werden Sozialleistungen an die Preisentwicklung angepasst, muss das auch bei der Steuer für die arbeitende Bevölkerung gelten. Ihre Belastungsgrenze gilt es, anzuerkennen.“ Er plant neben Steuerentlastungen für die Bürger auch eine deutliche Senkung der Firmensteuern. Die Reform des Bürgergelds soll ein Teil seines Konzepts für eine Wirtschaftswende werden, die Deutschland wieder fit machen soll. „Die SPD fordert fortwährend mehr Staatsverschuldung, damit sie zum Beispiel nicht ans Bürgergeld gehen muss. Ich rate dagegen zu einem Update für das Bürgergeld, weil wir uns mehr Schulden oder höhere Steuern nicht leisten können“, so Lindner.
Das Bürgergeld braucht ein Update
Das Bürgergeld sei kein bedingungsloses Grundeinkommen, bekräftigte er im Interview mit der „Rheinischen Post“. „Wir müssen alles unternehmen, dass Menschen, die arbeiten können, auch tatsächlich arbeiten.“ Er verwies darauf, dass es „viele Stellschrauben“ dafür gebe, von der Frage der Zumutbarkeit angebotener Arbeit über Sanktionen bis hin zu Arbeitsgelegenheiten wie den Ein-Euro-Jobs. Die Ein-Euro-Jobs seien zuletzt „deutlich zurückgegangen, obwohl es dem allgemeinen Gerechtigkeitsgefühl entspricht, dass eine Gegenleistung für Sozialhilfe verlangt wird. Und obwohl Ein-Euro-Jobs den Alltag strukturieren und eine Brücke in den regulären Arbeitsmarkt bilden“, unterstrich Lindner.
Beim Bürgergeld würden „Teile der politischen Linken“ einem Missverständnis unterliegen, so der FDP-Vorsitzende. „Das Bürgergeld wird von einer Mehrheit der Bevölkerung als ungerecht empfunden. Und zwar nicht, weil es zu niedrig ist, sondern weil es zu wenig Anreize zur Arbeitsaufnahme enthält.“ Lindner fügte hinzu: „Es ist ein Beitrag zum sozialen Frieden, hier Fehlentwicklungen zu korrigieren.“ Das höre er „hinter vorgehaltener Hand auch von Führungskräften der Sozialdemokratie“.
Ein Gebot der Fairness
Er verwahrte sich zugleich gegen Kritik von SPD und Grünen an den von ihm geplanten Steuerentlastungen. „Wenn Sozialleistungen an die Preisentwicklungen angepasst werden, dann muss das genauso bei der Steuer für die arbeitende Bevölkerung gelten. Es gibt bei unseren Koalitionspartnern kein Zögern bei der Erhöhung des Bürgergeldes, aber schon der schlichte Inflationsausgleich für Fach- und Führungskräfte sowie für den Mittelstand wird bekämpft.“ Der „Bild“ sagte Lindner, ihm fehle bei den Koalitionspartnern der Respekt vor den Steuerzahlern. Fairness verdienten nicht nur Geringverdiener.
„Auch die Leistung der Fach- und Führungskräfte sowie des Mittelstands muss anerkannt werden. Diese Menschen nur als Lastesel zu behandeln, nimmt ihnen die Lust auf Leistung.“ Lindner will den Grundfreibetrag in der Lohn- und Einkommenssteuer rückwirkend zum 1. Januar 2024 erhöhen. „Sonst droht kalte Progression. Die haben wir in den vergangenen zwei Jahren verhindert. Das ist auch für kommendes Jahr ein Gebot der Fairness“, machte der Finanzminister deutlich. „Wenn Sozialleistungen an die Preisentwicklungen angepasst werden, dann muss das genauso bei der Steuer für die arbeitende Bevölkerung gelten.“
Deutschlands wirtschaftliche Stärke ist auch eine geopolitische
Auch FDP-Präsidiumsmitglied und Fraktionschef Christian Dürr hat gefordert, Staatsausgaben zu priorisieren, um die deutsche Wirtschaft anzukurbeln. Dabei dürfe der Sozialstaat „nicht weiter wachsen“, sagte Dürr am Dienstag im ZDF-„Morgenmagazin“. Deutschland mangele es „seit anderthalb Jahrzehnten an Reformpolitik“. Neuen Schulden erteilte Dürr erneut eine Absage. Deutschland brauche „kein konjunkturelles Strohfeuer“, sondern Entlastungen für Unternehmen. Zudem müsse die „hart arbeitende“ Bevölkerung entlastet werden. Dazu seien Steuersenkungen nötig, die zuletzt auch Finanzminister Christian Lindner ins Spiel gebracht hatte.
Gleichzeitig müssten mehr Menschen eine Arbeit aufnehmen, forderte Dürr. Auch um die Sozialausgaben zu verringern. Das sei sinnvoller, als „Arbeitslosigkeit zu subventionieren“. Grundsätzlich sei Deutschlands wirtschaftliche Stärke auch eine geopolitische. „Wenn wir wirtschaftlich überlegen sind, sind wir auch in der Verteidigungsfähigkeit überlegen“, betonte Dürr – beispielsweise, weil die Bundeswehr dann besser ausgestattet werden könne.
Spielraum zur Aufstockung des Verteidigungsetats
In Sachen Bundeswehr sieht Christian Lindner im Bundeshaushalt ab 2028 einen Spielraum von bis zu neun Milliarden Euro zur Aufstockung des Verteidigungsetats. Bei disziplinierter Haushaltsführung werde die Schuldenquote dann wieder unter den in der EU vorgeschriebenen 60 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen, sagte der FDP-Vorsitzende der Deutschen Presse-Agentur. „Wenn wir diese Grenze unterschreiten, dann könnte die ab 2028 vorgesehene Tilgung der Corona-Schulden neu diskutiert werden.“ Das Geld könne stattdessen in den Verteidigungsetat fließen.
Der Bund hatte in den Jahren 2020, 2021 und 2022 wegen der Corona-Krise und des Ukraine-Kriegs Notlagenkredite in Höhe von rund 300 Milliarden Euro aufgenommen. Die Tilgung soll eigentlich im Jahr 2028 beginnen und über mehr als 30 Jahre laufen. Aktuell sei ab 2028 eine Schuldentilgung von jährlich neun Milliarden Euro vorgesehen, sagte Lindner. „Wenn aber die Belastung der Pandemie im Schuldenstand dann schon überwunden ist, könnte die Tilgung wesentlich reduziert werden“, kündigte er an. „Damit stünde ein Milliardenbetrag zur Verfügung, der uns nach dem Ende des Sonderprogramms für die Bundeswehr helfen wird, den Sprung zum Nato-Ziel im Bundeshaushalt zu erreichen.“
Schuldenbremse hat sich bewährt
Die Aussicht auf Finanzierungsspielräume müsste aus Sicht des FDP-Chefs auch für Grüne und SPD ein Anreiz zu Disziplin beim Bundeshaushalt sein. „Ich nenne die Zahl neun Milliarden Euro zusätzlichen Spielraums im Jahr 2028, damit wir alle motiviert sind“, sagte Lindner. Es gehe jetzt nicht darum, einfach Auswege zu suchen, sondern durchzuhalten. „Denn wenn wir jetzt diesen Weg weiter konsequent fortsetzen, im Bundeshaushalt und auch bei den Sondervermögen, dann winkt uns diese Belohnung. Das heißt, wir haben dann solide aufgestellte Finanzen, eine geringere Zinslast und können uns zugleich bei den Tilgungsplänen zusätzlichen finanziellen Spielraum erarbeiten“, erläuterte Lindner.
Aktuell, so kritisierte der Finanzminister, stellten SPD und Grüne in der Debatte um die Schuldenbremse immer wieder das Grundgesetz und die Vereinbarung des Koalitionsvertrages infrage. „Für das Außenbild der Koalition ist diese permanente Uneinigkeit schädlich“, betonte Lindner. Er ergänzte: „Mein Rat wäre, einfach bis zur Bundestagswahl den Status quo zu akzeptieren. Dann können die Bürgerinnen und Bürger entscheiden, ob es mehr Staat, mehr Schulden und höhere Steuern geben soll oder einen schlanken Staat mit weniger Zinslasten und niedrigeren Steuern.“
Auch FDP-Präsidiumsmitglied und Justizminister Marco Buschmann lehnt eine Reform der Schuldenbremse ab. „Die Schuldenbremse hat sich als effektives Instrument bewährt und deshalb sollten wir sie beibehalten“, sagte das FDP-Präsidiumsmitglied dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Viele, die von einer Anpassung der Schuldenbremse für die Zukunft sprechen, wollen in Wahrheit in die Rechtslage der Vergangenheit zurückkehren.“ Es sei das Bundesverfassungsgericht gewesen, das im Jahr 2007 festgestellt habe, dass sich das alte Recht nicht bewährt habe. Nach der alten Regelung habe der Staat etwa so viele Schulden aufnehmen dürfen, wie er Investitionen tätigte. „Das führte zu uferlosen Schuldenaufnahmen“, so Buschmann. „Es wäre in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation geradezu widersinnig, zu dieser verworfenen Praxis zurückzukehren. Wir brauchen mehr Haushaltsdisziplin statt neue Wege für mehr Schulden.“
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