Antragsbuch für den 75. Ordentlichen Bundesparteitag

LV Sachsen-Anhalt

Die neue und praxisnahe Portabilität der bAV – die überfällige Reform

Die neue und praxisnahe Portabilität der bAV – die überfällige Reform

Um die Akzeptanz der betrieblichen Altersversorgung als wesentlichen Baustein der Altersvorsorge zu erhöhen, ist die Komplexität der 5 Durchführungswege zu „entflechten“ bzw. praxisnah zu vereinfachen. Dazu sind insbesondere die bilanzneutralen Durchführungswege aufeinander abzustimmen. Die Portabilitätsvorschrift des § 4 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG ist um den Durchführungsweg „Unterstützungskasse“ zu ergänzen. Weiterhin ist eine Anhebung der Sozialabgabenfreiheit aus der Sozialversicherungsentgeltverordnung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 9 SvEV von 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung auf 8 Prozent vorzunehmen, um einen bürokratischen Mehraufwand für Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgrund der bisherigen Kombination mehrerer Durchführungswege zu vermeiden.  

Die Novellierung des § 4 d EStG durch die Ergänzung der „Zahlung von Einmalbeiträgen“ und eine steuerliche Flankierung einer „Überkreuzüberquerung“ des § 3 Nr. 55 EStG führen zu einer Stärkung des Durchführungswegs „Unterstützungskasse“ und vermeiden beim mehrfachen Arbeitgeberwechsel eines Arbeitnehmers eine Ansammlung vieler „Kleinstverträge“. Dieser erste Schritt soll die Durchdringungsquote der bAV erhöhen, um mögliche angedachte „Opting-Out-Modelle“ zu vermeiden. Wir Freie Demokraten stehen für eine freiwillige individuelle Vorsorge und nicht für „Quasi-Zwangsmodelle“, sehen aber die dringende Notwendigkeit, die Säule der Vorsorge im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung zu stärken, und zwar, einfach, effektiv, praxistauglich und ohne erhöhten Bürokratieaufwand.


Begründung:

§ 4 Abs. 2 BetrAVG eröffnet dem Arbeitgeber zwei Möglichkeiten, damit der Arbeitnehmer seinen bAV-Vertrag zum neuen Arbeitgeber „mitnehmen“ kann. Im Rahmen der Variante 1 übernimmt der neue Arbeitgeber die Versorgungsverpflichtung und führt diese unverändert weiter. Hierbei haftet der neue Arbeitgeber jedoch auch für alle Fehler, welche dem alten Arbeitgeber bei der Ausgestaltung der Versorgungszusage unterlaufen sind. Um die Haftung zu minimieren bzw. auszuschließen, sollte vielmehr die Variante 2 genutzt werden („Erleichterung der Portabilität“). Hierbei wird lediglich das angesammelte Versorgungskapital vom vorherigen Arbeitgeber übertragen und dafür kann der neue Arbeitgeber eine neue Zusage im Rahmen seiner Versorgungsordnung bzw. Versorgungsrichtlinien erteilen.

3.63 EStG lässt im Rahmen der Entgeltumwandlung nach seiner Novellierung zwar eine 8-prozentige jährliche steuerfreie Einzahlung der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung zu, jedoch sind diese Beiträge nur bis zu 4 Prozent der BBG sozialabgabenfrei. Um gerade „gutverdienende“ Arbeitnehmer im Rahmen der Entgeltumwandlung mit weniger Nettoverzicht im Rahmen der bAV abzusichern, bietet sich jedoch der Durchführungsweg der Unterstützungskasse neben den Regelungen des § 3.63 EStG an (sog. doppelter Sozialabgabenvorteil). Somit können im Rahmen der arbeitnehmerfinanzierten bAV 4 Prozent der BBG im Rahmen des § 3.63 EStG steuer- und sozialabgabenfrei und 4 Prozent im Rahmen des § 4 d EStG steuer- und sozialabgabenfrei genutzt werden (Hinweis: Im Rahmen der AG-Finanzierung keine Begrenzung der Sozialabgabenfreiheit).

Dieser Vorteil währt aber nur bis zum Zeitpunkt eines möglichen Arbeitgeberwechsels, da die Portabilität der Unterstützungskasse nur sehr eingeschränkt möglich ist. Relativ problemlos ist die Variante, dass das neue Unternehmen Mitglied in der bisherigen Unterstützungskasse wird und der bestehende Versicherungsvertrag der Rückdeckungsversicherung auf den neuen Arbeitgeber umgeschlüsselt wird. Dies ist jedoch aus bereits obigen Ausführungen nicht ratsam („keine Haftung für die Fehler des alten Arbeitgebers“). Die logische Folge wäre die Übertragung des Deckungskapitals gem. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG auf die eigene Unterstützungskasse. Dies scheitert jedoch an der steuerlichen Folge, da die Einzahlung aus der Rückdeckungsversicherung in die neue Unterstützungskasse einen Einmalbeitrag darstellt, der nicht als Zuwendung steuerlich geltend gemacht werden kann. § 4 d Abs. 1 Nr. 1c EStG setzt für den Betriebsausgabenabzug nämlich voraus, dass die Rückdeckungsversicherung gegen einen laufenden Beitrag abgeschlossen wird.

 

Als Lösungsansatz bieten sich im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung mehrere Novellierungen an:

 

  1. 1. Zunächst wäre eine Anhebung der Sozialabgabenfreit im Rahmen der Sozialversicherungsentgeltverordnung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 9 SvEV auf 8 Prozent möglich, damit der Arbeitgeber nicht verschiedene Durchführungswege für den „doppelten Sozialabgabenvorteil“ nutzen muss. Hier ist auch zu erwähnen, dass dann im Rahmen der nachgelagerten Besteuerung in der Rentenphase, eine „Steuerharmonisierung“ erfolgt. Bisher wurden die Beiträge des § 3.63 EStG, die nur steuer-, aber nicht sozialabgabenfrei in der Anwartschaftsphase eingezahlt wurden, nachgelagert in der Rentenphase mit KV-Beiträgen versteuert. Daran ändert auch der jährlich steigende Freibetrag der Auszahlung in der Rentenphase nicht viel.

  2. 2. Bisher gesetzlich nicht normiert ist der Wechsel von einer Unterstützungskasse zu einer Direktversicherung, einer Pensionskasse oder Pensionsfonds, obwohl auch hier eine gewisse Praxisrelevanz besteht. Hat ein Arbeitnehmer im Rahmen der Entgeltumwandlung ausschließlich den Durchführungsweg der rückgedeckten Unterstützungskasse vereinbart und der neue Arbeitgeber bietet ausschließlich im Rahmen der Entgeltumwandlung die Direktversicherung an, muss der Arbeitnehmer nach heutigem Recht den „Wert der Unterstützungskasse“ der über 3624 Euro liegt, versteuern. Neben einer Klarstellung im § 4 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG bedarf es hier einer Änderung des § 3 Nr. 55 EStG, der bisher die steuerliche Flankierung bei Überkreuzübertragungen ausschließt. Die FDP Sachsen-Anhalt verweist darauf, dass es sich bei der rückgedeckten Unterstützungskasse ebenfalls wie bei den Durchführungswegen des § 3.63 EStG um einen mittelbaren und bilanzneutralen Durchführungsweg handelt.

  3. 3. Die Übertragung von einer Unterstützungskasse auf eine andere Unterstützungskasse ist im Rahmen des § 3 Nr. 55 EStG lohnsteuerfrei, da keine Überkreuzübertragung vorliegt. Dies kann im Wege eines Versicherungsnehmerwechsels oder im Rahmen der Übertragung des Rückkaufswertes der Rückdeckungsversicherung auf die neue Unterstützungskasse als Einmalbeitrag erfolgen. § 4 d Abs. 1 Nr. 1c EStG setzt für den Betriebsausgabenabzug jedoch voraus, dass die der neuen Unterstützungskasse zugrundeliegende Rückdeckungsversicherung ausschließlich gegen einen laufenden Beitrag abgeschlossen wurde. Durch diesen steuerschädlichen Einmalbetrag können auch alle zukünftigen laufenden Beiträge nicht mehr nach § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c EStG in vollem Umfang gewinnmindernd geltend gemacht werden. Die Behandlung des Einmalbetrags im Rahmen der Übertragung als jährliche Prämienzahlung ist derzeit vom Wortlaut des § 4d nicht gedeckt, auch entspricht dies nicht dem bisherigen Sinn und Zweck des Gesetzes. Um die Portabilität der Unterstützungskasse nicht nur lohnsteuerrechtlich im Rahmen des § 3.55 EStG zu gewährleisten, ist aufgrund dieser zumeist betrieblich veranlassten Sperre bei Übertragung auf die eigene Unterstützungskasse, eine Änderung des § 4d EStG hinsichtlich Einmalzahlungen erforderlich.

Die bisherige Regelung reglementiert den Arbeitgeber unzulässig bzw. drängt ihm jegliche fremde Unterstützungskasse auf, nur um den Betriebsausgabenabzug geltend machen zu können.

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