Wir erleben eine politische Zeitenwende
Die Freien Demokraten wollen sich 2018 in der Opposition neu aufstellen und einen Erneuerungsprozess befördern. Im BamS-Interview erklärt Christian Lindner, warum Deutschland vor einem Umbruch steht.
Mit Blick auf die Hilferufe aus Kommunen sagt Lindner: „Damit Rechtspopulisten nicht mit Fremdenangst Politik machen können, muss man Probleme offen ansprechen. Unser Land bleibt nur dann tolerant und weltoffen, wenn die Menschen sich zu jeder Zeit und an jeder Stelle auf unsere Rechtsordnung verlassen können.“ Der Umgang mit den Flüchtlingen sei eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern: „Gerade bei allein eingereisten jungen Männern höre ich von vielen Problemen. Da geht es nicht nur um freundliche Fürsorge, sondern auch um erzieherische Maßnahmen. Wenn jemand dem nicht zugänglich ist, muss die Ausweisung geprüft werden“, so Lindner. Wenn die Familie bekannt sei, müssten unbegleitete Geflüchtete auch ausgewiesen werden können, sagte Lindner weiter. „Dann muss in einem solchen Fall auch eine begleitete Rückführung möglich sein.“ Zu der Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, im Jahr 2015 die Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen, sagte der FDP-Chef, dies sei unverantwortlich gewesen. Eine Kontrolle von Grenzen sei nicht gleichbedeutend mit Abschottung.
Er unterstrich in dem Interview einmal mehr, dass die Absage der FDP an Jamaika die richtige Entscheidung war: „Jamaika wäre nicht die notwendige Erneuerung unseres Landes gewesen.“ Daher schreckt ihn die Kritik an seiner Partei auch nicht: „Im Jahr 2014 haben Umfragen uns nur unter ‚Sonstige‘ notiert. Vor was sollten wir Angst haben, wenn wir jetzt teilweise über zehn Prozent liegen? Die FDP hat bewiesen, dass sie eigenständig ist und ihr Überzeugungen wichtiger als Posten sind. Wir wollen mehr Menschen für uns gewinnen, damit nächstes Mal der Politikwechsel gelingt.“
Danach gefragt, ob er sich vorstellen könnte, erneut in eine Regierung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel einzutreten, sagte Lindner: „Diese Frage stellt sich gegenwärtig nicht.“ Auch sei es nicht seine Aufgabe, der Union personelle Ratschläge zu erteilen. Er drückte seine Hoffnung aus, „dass es in der Union viele gibt, die Interesse an einem Erneuerungsprojekt haben.“ Wer das sei, müsse sich erst noch zeigen, so Lindner. „Aber die neuen Ministerpräsidenten Armin Laschet und Daniel Günther haben Koalitionen gebildet, die mit uns jenseits des Status quo etwas verändern wollen.“ Dasselbe gelte für SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer.
FDP ist das Gegenteil der AfD
Strikt ausgeschlossen hat Lindner hingegen eine Zusammenarbeit mit der AfD. „Das völkisch-autoritäre Gedankengut der AfD ist genau das Gegenteil unseres liberalen Weltbildes”, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. “Wir sind das genaue Gegenteil der AfD.” Dass die Alternative für Deutschland (AfD) bei einzelnen Punkten „uns applaudiert, dagegen kann man nichts machen“, unterstrich Lindner und fügte hinzu, die AfD habe ja auch schon dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Jürgen Trittin vom linken Flügel der Partei applaudiert. Und Trittin unternehme auch nichts, um sich von der AfD abzugrenzen.
Die FDP wolle in der nächsten Zeit ihren Standort als Partei der Mitte definieren. „Diese Mitte wollen wir besetzen. Die war verwaist während der vergangenen vier Jahre“, als die FDP in der außerparlamentarischen Opposition gewesen sei. Dafür will er auch die Position der FDP in den Bundesländern weiter ausbauen. Bei den beiden Landtagswahlen in Hessen und Bayern im Herbst 2018 strebe sie eine Regierungsbeteiligung an, so Lindner. Über den Bundesrat wolle er das Gewicht der FDP in Deutschland erhöhen, um die Politik zu erneuern. Das wäre dann auch die Ausgangsbasis bei einer nächsten Bundestagswahl für eine Reformkoalition im Bund, nämlich „eine Koalition zu schaffen, die das Land wirklich erneuert, nach vorne bringt, befreit, frische Luft reinlässt“.
Mit Blick auf die Landtagswahlen in Bayern und Hessen im Spätsommer und Herbst 2018 sagt Lindner: „Die FDP wird gerne Verantwortung übernehmen, wenn es geht.“ Aber auch zukünftig würde die FDP Konstellationen ablehnen, in denen sie „zum Mehrheitsbeschaffer für die Ideen anderer degradiert“ werden soll. „Wer eine andere Lieblingspartei als die FDP hat und uns nur als Hilfstruppe sieht, der ist nicht gezwungen, uns zu wählen.“