Antragsbuch für den 74. Ordentlichen Bundesparteitag

LV Bayern

Zeitenwende in der Außenwirtschaftspolitik – Europäische Resilienz stärken

Zeitenwende in der Außenwirtschaftspolitik – Europäische Resilienz stärken

Die Auswirkungen des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine hat auch die Verwundbarkeit Deutschlands und Europas in der Außenwirtschaftspolitik und unsere Abhängigkeit von wenigen, teils autoritären Ländern, insbesondere in der Energieversorgung, offengelegt. Lange Jahre wähnte sich Deutschland und Europa in einem „Schlaraffenland“, in welchem die Frage der Resilienz, also der Widerstandsfähigkeit gegenüber externen Faktoren wie dem Einfluss autokratischer Regime, scheinbar keine Rolle spielte. Wir müssen diese Blauäugigkeit der letzten Jahre nun schnellstmöglich beenden. Zu lange haben wir uns einseitig abhängig gemacht von russischem Gas, chinesischem Wachstum und amerikanischer Sicherheitspolitik. Es ist daher essenziell, den Wirtschaftsstandort Deutschland und Europa durch eine größere Eigenständigkeit und mehr Kontrolle abzusichern. Dabei müssen wir aber größtmögliche Freiheit der Wirtschaft und staatliche Sicherheitsinteressen miteinander in Einklang bringen. Kurzum: Es braucht auch eine Zeitendwende in unserer Außenwirtschaftspolitik.

Leistungsfähige Kontrolle über kritische Infrastruktur - ohne Fessel für die Wirtschaft

Spätestens der Gaskrieg Russlands gegen Europa sowie die Beteiligung des chinesischen Staatskonzerns Cosco an „Tollerort“, einem Terminal des Hamburger Hafens, und damit an deutscher kritischer Infrastruktur (KRITIS) hat uns sehr deutlich vor Augen geführt, wie dringlich eine Reform des Außenwirtschaftsrechts ist. Sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene braucht es eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft, um einerseits als Wirtschaftsstandort für Investitionen noch attraktiver zu werden, aber gleichzeitig kritische Infrastruktur vor dem Einfluss anderer, insbesondere autoritärer Regime zu schützen und uns vor riskanten Abhängigkeiten von ihnen zu bewahren. Aber hier endet ein neues Bewusstsein für Wachstum und Unabhängigkeit noch nicht, sondern beginnt erst. Wir müssen dabei auch Lieferketten, Rohstoff- und die Energieversorgung neu denken.

Außenwirtschaftsrecht reformieren

Die Fälle des Hamburger Hafens und des Chip-Herstellers Elmos haben gezeigt, dass wir unser europäisches und nationales Außenwirtschaftsrecht (inklusive bestimmter bilateraler Investitionsschutzabkommen) schnellstmöglich überprüfen, reformieren und modernisieren müssen, um einseitige Abhängigkeiten und ausländische Einflussnahmen bei der kritischen Infrastruktur und in strategisch wichtigen Wirtschaftsbereichen zu verhindern. Derartige Fälle, wie die oben genannten, dürfen sich nicht wiederholen, sondern müssen politisch verhindert werden können.

Gleichzeitig gilt aber: Jede Untersagung von ausländischen Investitionen schwächt den Investitionsstandort Deutschland, daher muss hierbei mit Augenmaß und verhältnismäßig agiert werden. Es darf nicht zu Protektionismus und einer Abschottung des europäischen Wirtschaftsraums kommen. Eine breitere Diversifizierung der Export- und Importmärkte schaffen wir durch Freihandelsabkommen.

  • Die Investitionsprüfung der Bundesregierung zum Fall Cosco war dringend geboten. Für uns Freie Demokraten ist der Erwerb durch den chinesischen Reeder eine Investition in die kritische Infrastruktur und damit ist die Untersagung einer Beteiligung von über 25 Prozent (Sperrminorität) notwendig. Allerdings kann die Bundesregierung nicht mehr tun, als die Beteiligung von mehr als 24,9 Prozent zu untersagen, solange nicht sehr spezielle Kriterien gelten. Diese gilt es zu überprüfen und den regulatorischen Handlungsspielraum zu flexibilisieren.
  • Die Prüfung und eventuelle Untersagung jedes Unternehmenserwerbs in relevanten Bereichen durch unionsfremde Erwerber muss unabhängig von Selbstzuschreibung ermöglicht werden. Dies gilt auch für Unternehmen mit Sitz in der EU, an denen unionsfremde Gesellschafter zu mindestens 25 Prozent beteiligt sind, oder deren Gesellschaftervertrag sachinhaltlich vergleichbare Rechte garantieren. Die dafür geltenden Kriterien sollten allerdings klar definiert sein und dürfen nicht für protektionistische Zwecke missbraucht werden.
  • Diese Regeln dürfen nur mit einem Kabinettsbeschluss der Bundesregierung und ggf. mit einem Beschluss der EU-Kommission durchbrochen werden. Eine Liste dieser Länder muss tagesaktuell geführt werden, Schlupflöcher über Beteiligungen and Drittfirmen oder den Umweg über Drittländer dürfen dabei nicht zugelassen werden.
  • Die Definition kritischer Infrastruktur ist deutlich auszuweiten, sodass sie auch Betriebe und Infrastruktur von überregionaler Bedeutung oder überragendem öffentlichen Interesse erfasst. Dazu gehören etwa Verkehrs- und IT-Infrastruktur, Betriebe der Daseinsfürsorge und des Bankenwesens, andere systemrelevante oder besonders mitarbeiterstarke Unternehmen sowie innovative Hightech-Industrien und Forschungseinrichtungen. Die Größen-Anforderungen der BSI-KritisV sind so zu senken oder zu streichen, dass ein „Anschleichen“ unionsfremder Erwerber erheblich erschwert wird.
  • Die EU ist zwar offen für ausländische Investitionen, dafür fordern wir aber auch von unseren Partnern offene Märkte. Das ist bei China nicht der Fall; das heißt, Reziprozität ist nicht gegeben. In Zukunft muss Reziprozität daher eine Grundlage für den Prüfmaßstab an Investitionen in kritische Infrastruktur sein, das heißt ausländische Firmen dürfen hier nur in jenem Maße investieren, wie deutsche Firmen im Ursprungsland investieren dürfen. Gleiches gilt auch für alle anderen Marktzugangshürden. Ausgenommen sind Maßnahmen zur wirtschaftlichen Unterstützung von Entwicklungsländern; zu denen China jedoch nicht mehr zählen kann.
  • In Bezug auf China sollte durch Verhandlungen angestrebt werden, dass die zumindest vorübergehende Öffnung für Beteiligung deutscher Unternehmen an ihren Tochtergesellschaften in China bis zum Erwerb der Mehrheit - siehe unter anderem BMW - wieder ermöglicht wird. In Bezug auf den Fall Cosco sollte China zur Gleichbehandlung deutscher Unternehmen wie zum Beispiel mit der Reederei Maersk (Dänemark), die vermutlich an allen wichtigen Häfen in China Beteiligungen hat, aufgefordert werden.
  • Wir brauchen dringend eine bessere europäische Abstimmung bei ausländischen Investitionen, die EU-Screening-Verordnung ist ein erster Schritt. Daraus müssen aber auch europäische wirtschaftspolitische Entscheidungen entstehen können. In diesem Fall bedeutete das, dass die EU-Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit haben muss, relevante Investitionsentscheidungen sowie anderweitige Kooperationen und Auftragsvergaben im Lichte gemeinsamer europäischer Interessen bewerten und entsprechende Empfehlungen geben zu können.
  • Wir benötigen einen deutlich besser definierten und vor allem für alle Marktteilnehmer transparenten Prozess für Beteiligungen aus Nicht-EU-Staaten und für Investitionen in Nicht-EU-Staaten auf der europäischen und der nationalen Ebene. Äquivalent dazu benötigen wir bei Anlagen kritischer Infrastruktur strikte Regeln auch für Ausschreibungen bei Bau und Modernisierung. Insbesondere bei elektronischen Komponenten darf es keine Beteiligung von Firmen aus der Liste autoritär geführter Länder geben. Die europäischen Häfen könnten sich dann nicht mehr von chinesischen Reedern (wie Cosco) gegeneinander ausspielen lassen. Ebenso darf etwa die 5G-Infrastruktur aufgrund von Sicherheitsrisiken nicht mit chinesischer Soft- oder Hardware ausgestattet werden.

Eine neue Freihandelsagenda

Die Diversifizierung der deutschen Wirtschaft wird nur über den besseren Zugang zu neuen Märkten realisierbar. Wir wollen uns nicht von China abkoppeln, sondern wir brauchen Lieferketten und Absatzmärkte in allen Regionen der Welt, um uns nicht in einseitige Abhängigkeiten zu begeben. Die Ampel-Koalition hat daher letztes Jahr bereits das Freihandelsabkommen CETA mit Kanada ratifiziert. Wir wollen darauf aufbauen und schnellstmöglich weitere Freihandelsabkommen mit Mexiko, Chile, Mercosur, Indonesien, Australien und weiteren abschließen. Darüber hinaus fordern wir: 

  • Auch die Gespräche über einen transatlantischen Wirtschaftsraum mit globalen Standards muss Deutschland jetzt intensiv beginnen.
  • Wir fordern, jetzt einen neuen Anlauf für ein umfassendes Freihandelsabkommen mit den USA zu starten. Falls zeitnah kein umfassendes Abkommen (wie zuvor mit TTIP geplant) realisierbar ist, sollte der nächste Schritt dorthin zunächst Einzelabkommen für bestimmte Wirtschaftsbereiche sein.
  • Freier Handel muss aber immer auch fairer Handel sein. Das bedeutet insbesondere Reziprozität im Marktzugang und den Abbau von Marktverzerrungen. Dazu gehört auch, dass etwa geringere Arbeits- und Umweltschutzstandards anderswo nicht zum Wettbewerbsnachteil für Europa werden dürfen; daher unterstützen wir grundsätzlich ein Lieferkettengesetz und den geplanten Carbon Border Adjustment Mechanism. 

Gemeinsam europäisch handeln

All diese Maßnahmen lassen sich im internationalen (System-)Wettbewerb mit einer Großmacht wie China nicht allein national erreichen. Daher wollen wir all diese Maßnahmen gemeinsam im europäischen Verbund einbetten und durchsetzen.

  • So sind die oben genannten Änderungen des deutschen Außenwirtschaftsrechts in die Investment Screening Regulation (VO (EU) 2019/452) einzubetten und dementsprechend europäisch zu harmonisieren. Ferner soll sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass alle EU-Staaten zwingend entsprechende Investitionskontrollen, jedenfalls in Bezug auf kritische Infrastruktur und Staatsunternehmen, einführen, um ein Level Playing Field europäischer Infrastrukturunternehmen zu schaffen und Einflussnahmen unionsfremder Regierungen zu unterbinden. Aufgrund der Eingriffsintensität müssen die Regelungen der Investitionskontrolle aus der AWV zudem in ein ordentliches Gesetz überführt werden.
  • Darüber hinaus werden wir umso resilienter und unabhängiger, je mehr wir nach innen unsere Zusammenarbeit stärken und nach außen geschlossen als Europäer auftreten. Dazu gehört, dass die EU sich nicht durch bilaterale Kooperationsabkommen, etwa im Rahmen der chinesischen 14+1 Initiative, auseinanderdividieren lässt. Zudem müssen wir den europäischen Binnenmarkt etwa im Rahmen einer echten Banken- und Energieunion weiter vertiefen. Dies gilt auch im digitalen Bereich, wo Europa zu abhängig von China und den USA ist; daher müssen Projekte wie GAIA-X Priorität bekommen und noch umfassender angegangen werden.

Lieferketten und Rohstoffe

Die Funktionsfähigkeit der Wirtschaft hängt heute vor allem auch von funktionierenden Lieferketten und der Verfügbarkeit von Rohstoffen ab. Nicht nur durch den Angriffskrieg, den Russland gegen die Ukraine führt, sondern auch zuvor durch Corona zeigte sich drastisch, wie verletzlich diese Lieferketten heute sind. Das gilt zum einen im Bereich der Transportkapazitäten, aber auch und insbesondere im Bereich kritischer Rohstoffe. Hier müssen wir deutsche, aber vor allem europäische Interessen viel besser und vorausschauender berücksichtigen. China tut dies im Wege der „doppelten Zirkulation“ längst. Wir dürfen keine Angst mehr davor haben, diversifizierte strategische Partnerschaften einzugehen, um uns auch in Zukunft Zugang zu kritischen Rohstoffen zu sichern. Klar ist allerdings auch geworden; Wir haben viel zu wenig Daten und Informationen über unsere Lieferketten oder deren Vulnerabilität.

  • Um hier schnelle Schritte in Richtung sichererer Versorgung mit Rohstoffen und Gütern zu gehen, müssen wir sowohl den European Chips Act schnell umsetzen als auch dafür sorgen, dass der Critical Raw Materials Act schnell vorangebracht wird.
  • Wir brauchen eine eigene deutsche Rohstoffstrategie, die die für Deutschland kritischsten Materialien und Rohstoffe in den Blick nimmt und in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft die Lieferketten dazu absichert. Dabei müssen die Ökologischen, Sozialen und Governance Kriterien (ESG) eine zentrale Rolle spielen.
  • Rohstoffsicherung muss endlich in der Nationalen Sicherheitsstrategie und Chinastrategie berücksichtigt werden.
  • Das Bergrecht muss so modernisiert werden, dass Bergbau in Deutschland, zum Beispiel die Förderung von Lithium und ggfs. auch von Gas durch moderne und umweltunschädliche Fracking-Technologien, wieder möglich und attraktiv wird.

Unabhängige Energieversorgung

Russland greift die Ukraine militärisch an, gleichzeitig führt Russland einen Energiekrieg gegen Europa. Das führt zu Verwerfungen an den Märkten und hat uns dazu gezwungen, schnellstmöglich eine LNG-Infrastruktur aufzubauen. Gleichzeitig ist das Versprechen von verlässlichem, billigem russischen Pipeline-Gas für immer gebrochen. Das bedeutet: Wir brauchen eine neue Strategie günstiger Energieversorgung in Deutschland. Aus Sicht der Freien Demokraten baut diese auf drei Säulen: Gas und Kernkraft für eine Übergangszeit, aber so diversifiziert, dass wir alle Bezugsquellen, insbesondere auch die deutschen, nutzen, Wasserstoff als langfristiger grundlastfähiger Energieträger, und den massiven Ausbau der erneuerbaren Freiheitsenergien. Um dies zu schaffen, müssen alle bürokratischen Hürden abgebaut werden und die gesamte deutsche Energieversorgung ins überragende öffentliche Interesse gestellt werden.

Erdgas und Kernkraft als Übergangstechnologie

In Deutschland gab es lange den Grundkonsens, kein Fracking-Gas zu nutzen, sondern stattdessen auf Pipeline-Gas aus Russland und Norwegen zu setzen. Diese Gewissheit endete mit dem Angriffskrieg Russlands. Jetzt brauchen wir so schnell es möglich ist eine diversifizierte Gasbeschaffung. Denn Gas wird als grundlastfähige Energie und in Form von Spitzenlastkraftwerken mindestens bis Ende der 2030er Jahre gebraucht. Wir werden dazu auf Fracking-Gas setzen müssen. Aber wir müssen auch Verantwortung für unser Handeln übernehmen. Deutschland kann sich das St. Florians- oder „NIMBY“-Prinzip nicht mehr erlauben, weder lokal noch national. Statt Fracking-Gas zu importieren, sollten wir daher alle deutschen Kapazitäten nutzen. Jeder Kubikmeter heimisch gefördertes Gas wäre eine Entlastung aus der Importabhängigkeit und ein Segen für die Wirtschaft. 

Als Übergangstechnologie wollen wir zudem alle verfügbaren Kernkraftwerke bis mindestens 2024 weiterbetreiben und dafür auch notwendige Brennstäbe neu besorgen.

Freiheitsenergien und Wasserstoff

Jedes PV-Modul auf einem Dach, jedes Windrad in der Fläche, jedes Wasserkraftwerk und jede Geothermieanlage reduziert die Abhängigkeit von ausländischen Energieimporten. Bei den Erneuerbaren Energien versucht die Ampelregierung die Versäumnisse der Union auf Bundesebene innerhalb kürzester Zeit aufzuholen.

  • Aktuell werden von den 18 regionalen Planungsverbänden die Vorranggebiete für Windenergieanlagen festgelegt. Dabei muss ein ausschlaggebendes Kriterium die Windhäufigkeit sein. Geschieht das nicht, könnten Flächen für die Windkraft ausgewiesen sein, die sich nicht für größere Projekte eignen.
  • Die aktuelle Ausweisung von Vorranggebieten für die Windenergie in den Planungsregionen soll sich auch an der Windhöffigkeit der Region orientieren.
  • Zudem muss die 10H-Regelung vollständig abgeschafft werden.
  • Die Geothermie ist der schlafende Riese der Energiewende. Um Gemeinden einen Anreiz für Probebohrungen zu geben, schlagen wir in geeigneten Regionen die Vergabe von Tiefengeothermie-Bohrrechten vor. Im Falle einer erfolgreichen Bohrung erhalten die Kommunen oder Landkreise von den Betreibern reduzierte Anschluss- und Verbrauchsgebühren.
  • Auch bei der Wasserkraft ließe sich noch Potential heben. Gerade in der aktuellen Krise muss die Politik dafür sorgen, dass Betreiber ihre Anlagen mit effizienten Turbinen aufrüsten können. Zudem sollte der Bau von Pumpspeicherkraftwerken erleichtert werden. Auch sollten neu entwickelte Techniken, wie die Schachtkraftwerke, weiterhin in Bezug auf Genehmigungen von Standorten gefördert werden.
  • Die bundeseinheitlichen Regelungen des Immissionsschutz-, Bau- und Naturschutzrechts sind ausreichend, um Anwohnerinteressen, Naturschutz und den Windkraftausbau in Einklang zu bringen. Abstandsvorgaben und bürokratische Hindernisse für die Photovoltaik müssen auf Bundesebene liberalisiert werden.
  • Wir begrüßen die von der Bundesregierung beschlossene Novelle des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG), die eine Aussetzung der Begrenzung der vergütungsfähigen Strommenge im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und die Flexibilisierung des Güllebonus vorsieht. Für eine weitere Steigerung der Biogaserzeugung müssen jedoch weiterhin Hemmnisse im Baugesetzbuch (BauGB) aus dem Weg geräumt werden. Ziel ist insbesondere auch eine massive Erhöhung der Einspeisepunkte ins vorhandene Gasnetz.
  • Wasserstoff wird zukünftig als Ersatz für Erdgas vor allem in der Industrie von entscheidender Bedeutung sein. Dabei darf der Süden nicht von deutschen Importen aus dem Norden abgeschnitten werden: Eine Anbindung an das deutsche H2-Backbone muss zügig erfolgen. Ferner müssen dringend Planungen für Standorte von Elektrolyseuren insbesondere in der Nähe von Grundstoffindustrieansiedlungen vorangetrieben werden.
  • Auch die Interessen und Möglichkeiten der Kommunen sollten Beachtung finden. Dabei geht es um die Rahmenbedingungen für die Fern- und Nahwärmenetze, deren Aus- und Aufbau durch ein vom BMWK initiiertes Förderprogramm mit sofortiger Wirkung und mit erheblichen Mitteln unterstützt werden kann.
  • Die Öffnung für regionale Energiemärkte könnten den Energiehandel von Bürgerinnen und Bürgern untereinander wesentlich vereinfachen. Dabei würde die örtliche und zeitliche Angebots- und Nachfragesituation besser miteinander in Einklang gebracht werden können. Das würde zu einer Entlastung von Netzen beitragen sowie Einsparungen und Verwaltungsvereinfachungen bringen. Eventuell sollte Steuerbefreiung von „Bürger- und Mieterstrom“ angestrebt werden.

Kernfusion als Zukunftsenergie

Zusätzlich müssen wir die Forschung im Bereich der Kernfusion besonders fördern. Kernspaltung ist von Kernfusion strikt abzugrenzen. Es ist weitestgehend unstrittig, dass der immer weiter steigende Strombedarf langfristig wohl nur mit Kernfusion bedient werden kann. Daher sollte Europa hier Vorreiter sein und die entsprechende Forschung unterstützen, sowie günstige rechtliche Grundlagen für Entwicklung und Einsatz von Kernfusionsreaktoren schaffen.

Über all diesen Maßnahmen schwebt aber der technologische Fortschritt. Gibt es eine günstige Technologie, die die externen Kosten möglichst vollständig internalisieren kann und dabei so günstig wie die anderen Technologien bleibt, wie etwa die Kernfusion, ist unser technologischer Weg natürlich nicht fest vorbestimmt, sondern regelt sich am Markt.

Europäische Energiepolitik

Mit dem Einsatz von Energieträgern als geopolitisches Druckmittel, ist eine neue sicherheitspolitische Realität in Europa eingetreten. Die durch die Bundesregierung ausgerufene Zeitenwende macht neue verteidigungspolitische Paradigmen und Vorgehen obligatorisch. Deutschland muss seine eigene Energieversorgung im Rahmen europäischer Solidarität sicherstellen und dabei geopolitische Realitäten mit einbeziehen. Dazu gehört auch die stringente Umsetzung der in der Europäischen Energieunion vereinbarten Maßnahmen zum Ausbau der Infrastruktur zwischen den Mitgliedsstaaten. Deutschland darf in Zukunft durch seine Energieabhängigkeit von autoritären Staaten nicht mehr erpressbar sein und muss seine Energieversorgung resilient gestalten.

  • Deutschland muss eine wichtige Rolle innerhalb der EU einnehmen bei der Ausarbeitung und Unterstützung von Projekten zur Gewinnung von fossilen Energieträgern, die wir noch längere Zeiträume bis zum finalen Ausrollen der Wasserstoffwirtschaft – zwar mit abnehmender Intensität – benötigen werden. Weiterhin sind Programme zur Energiegewinnung durch regenerative Verfahren zu priorisieren, etwa Photovoltaik, Windkraft, Wasserkraft, Grüner Wasserstoff, Biogas und Geothermie sowie weiterer nutzbarer Hochtechnologieverfahren zur Gewinnung von Energie. Die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas zwingt heute die gesamte EU zu Einsparungen. Deutschland muss hier zur Wahrung strategischer Interessen als Vorreiter auftreten, damit es seine geopolitischen Fehler der Vergangenheit – durch entschlossene Führung mit dem Ziel weitgehender energiepolitischer Unabhängigkeit – ausgleicht.
  • Deutschland muss in Absprache mit seinen internationalen Partnern die Verlängerung der Laufzeiten aller noch funktionstüchtigen deutschen Atomkraftwerke so lange sicherstellen, wie sie für den Erhalt der Netzsicherheit erforderlich sind. Hierzu ist die Beschaffung neuer Brennstäbe von verlässlichen internationalen Partnern sowie die Prüfung und Vorbereitung bereits abgeschalteter AKW geboten.
  • Deutschland muss sich im Rahmen der europäischen Energiepolitik dafür einsetzen,
    dass Abhängigkeiten von autoritären Staaten und damit eine außenpolitische Schwächung Deutschlands unter allen Umständen verhindert wird. Internationale Verträge zur Lieferung von Energieträgern müssen völkerrechtliche Verpflichtungen beinhalten. Staaten wie Aserbaidschan, welche territoriale Konflikte in naher Vergangenheit durch völkerrechtswidrige Überfälle versucht haben für sich zu entscheiden, sind keine zuverlässigen Partner und sind somit als Vertragspartner ungeeignet.
  • Es muss nicht nur der Vertragspartner, sondern auch der Versorgungsweg bei der energiepolitischen Planung berücksichtigt werden. Das Beispiel Kasachstan zeigt, dass auch die Wege der Versorgung von geopolitischer Relevanz sind. Die Sicherheit der Versorgungswege soll durch die Vertragspartner und die NATO gewährleistet werden.
  • Die Energiestrategie muss geopolitisch so ausgelegt sein, dass die Umgehung von Sanktionen und die Beschaffung von Energieträgern über Proxy-Staaten bzw. Proxy-Firmen nicht die eigentliche Handlungsabsicht untergräbt bzw. die ergriffenen Sanktionen zu wirkungslosen Maßnahmen verkommen lässt. Zudem ist eine möglichst breite Diversifikation von Lieferanten als strategisch wertvoll einzustufen. Dies erlaubt schnelle Eingriffs- und Handlungsmöglichkeiten bei der Umstellung von Vertragspartnern.
  • Die EU muss zur Erzielung der Unabhängigkeit von russischen fossilen Energieträgern eine gemeinschaftliche LNG-Strategie und ein gemeinschaftliches LNG-Netz entwickeln, um den Transport und Handel mit Flüssiggas in der EU zu vereinfachen und zu beschleunigen. Dies lindert die Abhängigkeit von bestehenden Pipelines zu autoritären Staaten und fördert einen umfangreichen international diversifizierteren Erwerb von Flüssiggas. Durch Verteilung auf ein breites Netz wird Georedundanz gewährleistet und somit das Netz resilienter gestaltet.
  • Zur Umsetzung der Energieunion innerhalb der EU muss in jedem Fall auch regelmäßige Ausfallsimulationen unter definierten Klima- und Konfliktbedingungen und die Exekution des zur Absicherung notwendigen Ausbaus der Infrastruktur in allen Mitgliedsländern gehören. Dazu gehört auch eine vollständige Kartierung kritischer Infrastruktur und deren auch militärische Absicherung.
  • Ziel ist eine deutsche geopolitische Energiestrategie, die langfristig Abhängigkeiten von Russland und weiteren autoritären Staaten verhindert und somit die Sicherheit Deutschlands, die Stärke und Einheit der EU und damit die Handlungsfähigkeit im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik stärkt.

Europäische Sicherheitspolitik 

Auch in der europäischen Sicherheitspolitik braucht es eine Zeitenwende, um nicht auf Dauer einseitig von amerikanischen Sicherheitsgarantien abhängig zu sein, sondern die EU in die Lage zu versetzen, sich auch selbst zu verteidigen. Eine europäische Verteidigungsgemeinschaft ist daher überfällig. Deshalb müssen nun schnell konkrete Schritte zu einer engeren Zusammenarbeit, Verzahnung und Verschmelzung sowie einer gemeinsamen Beschaffung, Ausbildung und Kommandostruktur gegangen werden. Als langfristiges Ziel dieser Bemühungen streben wir weiterhin die Gründung einer echten europäischen Armee an. 

Begründung

Erfolgt mündlich.

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