BFA Gesundheit
Sicherheit von Patientinnen und Patienten gewährleisten
Sicherheit von Patientinnen und Patienten gewährleisten
1. Juristische Personen des Privatrechts, die Heilkunde anbieten, sollten einer Genehmigung bedürfen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die juristische Person nach ihrer Gesellschafterstruktur, ihrer Geschäftsführung und ihrer sächlichen und personellen Ausstattung die Gewähr für eine ausreichende medizinische Versorgung von Patientinnen und Patienten bietet.
Die juristischen Personen sind in einem Register zu führen, in dem auch der wirtschaftlich Berechtigte zu erfassen ist. Der wirtschaftlich Berechtigte ist im Rechtsverkehr kenntlich zu machen.
2. Einflussnahmen von Trägergesellschaften medizinischer Versorgungszentren (MVZ) und anderen gewerblichen Anbietern von Heilkunde auf die ärztlichen Entscheidungen der bei ihnen tätigen Ärztinnen und Ärzte bzw. Zahnärztinnen und Zahnärzte sind unzulässig. Bei missbräuchlicher Einflussnahme sollten Konsequenzen bis hin zum Widerruf der Genehmigung bzw. der Entziehung der Zulassung möglich sein.
3. Die Befugnis von Krankenhäusern, MVZ zu gründen, sollte unverändert möglich sein, wenn dies zur Beseitigung und Vermeidung von Unterversorgung in einem Planungsbereich erfolgt.
Im Übrigen sollte eine Gründung von MVZ durch Krankenhäuser
a. räumlich auf das Versorgungsgebiet des Krankenhauses und
b. inhaltlich auf die Fachgebiete beschränkt sein, in denen das Krankenhaus auch stationär an der Versorgung teilnimmt
4. Bei der Nachbesetzung von vertragsärztlichen Zulassungen sollte der Wille, einen Versorgungsauftrag freiberuflich selbstständig wahrzunehmen, als Entscheidungskriterium aufgenommen werden. Wir setzen uns weiter dafür ein, den freiberuflich selbstständigen Status von Angehörigen der Heilberufe auf allen Ebenen zu fördern.
5. Es ist durch geeignete Regelungen sicherzustellen, dass die Beschränkung des Kreises der zur Gründung eines MVZ Berechtigten nicht durch gesellschaftsrechtliche Konstruktionen oder vertragliche Vereinbarungen umgangen wird.
Begründung
Vorbemerkung
Die Gesundheitsversorgung in Deutschland liegt traditionell in den Händen der freien Berufe, namentlich der Ärztinnen und Ärzte bzw. der Zahnärztinnen und Zahnärzte. Prägend für einen freien Beruf ist die Abgrenzung von der Ausübung eines Gewerbes. Freiberuflichkeit und Freiheit des diagnostischen und therapeutischen Handelns gehen Hand in Hand und haben entscheidenden Anteil daran, dass Deutschland nach wie vor eines der besten Gesundheitssysteme der Welt hat. Die freie und in allererster Linie dem Patientenwohl folgende Therapieentscheidung von Ärztinnen und Ärzten bzw. Zahnärztinnen und Zahnärzten ist unbedingte Voraussetzung einer guten Gesundheitsversorgung.
Zunehmend kaufen Investoren in großem Stil bestehende Praxen auf oder treten im Bereich der Selbstzahlerleistungen selbst als (gewerbliche) Anbieter von Heilkunde auf (vgl. insoweit die kleinen Anfragen der Hamburger FDP-Bürgerschaftsabgeordneten Jenny Dutschke, Drucksachen 21/18085 und 21/18266 bzw. Anna von Treuenfels, Drucksache 22/4070). Dazu werden bzw. wurden häufig kleine Plankrankenhäuser aufgekauft, um diese zum Kern von Praxisketten zu machen.
Im vertragsärztlichen Bereich wurden bis zum 31.12.2020 ca. 3.500 MVZ gegründet, davon 1.725 durch Krankenhäuser. Allein die 15 im Bundesverband der Betreiber medizinischer Versorgungszentren e. V. organisierten Unternehmen betreiben 450 MVZ in ganz Deutschland, also mehr als 10 Prozent aller MVZ. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht alle Träger von i-MVZ hier organisiert sind. In der vertragszahnärztlichen Versorgung beträgt der Anteil der i-MVZ-Standorte am gesamten MVZ-Markt sogar 21 Prozent.
Verschiedene Gutachten, zum Beispiel im Auftrag der KV Bayern und KZBV, kommen zu dem Ergebnis, dass i-MVZ im Durchschnitt höhere Fallwerte aufweisen als insbesondere Einzelpraxen. Medienberichte deuten darauf hin, dass durch die kaufmännische Leitung der MVZ ein Umsatzdruck aufgebaut wird, der zu nicht medizinisch geleiteten Therapieentscheidungen führt. Man kann davon ausgehen, dass dies mit unnötigen Behandlungsmaßnahmen verbunden ist, die nicht zum Wohle der Patientinnen und Patienten sind, zumal diese die Indikationen selbst meist nicht beurteilen können.
Auch wenn MVZ grundsätzlich das Potential bieten, Probleme an der Sektorengrenze abzubauen und auch geeignet sind, einen wichtigen Beitrag zur Versorgung gerade in strukturschwachen Regionen zu leisten, muss das Missbrauchspotential beseitigt werden.
Zu Ziff. 1: Genehmigungsvorbehalt, Qualitätssicherung, Transparenzregister
Von besonderer Bedeutung für die Sicherung der Freiheit ärztlicher Entscheidungen und damit des Schutzes von Patientinnen und Patienten und des Vorrangs einer an Patientinnen und Patienten orientierten Medizin, ist die Gewährleistung einer hinreichenden strukturellen Qualität aller Anbieter von Heilkunde, die Herstellung von Transparenz und eine zuverlässige Aufsicht mit ausreichenden Eingriffs- und Durchgriffsrechten. Dies gilt unabhängig davon, ob eine juristische Person des Privatrechts Heilkunde im System der gesetzlichen Krankenversicherung oder direkt der Patientin bzw. dem Patienten anbietet.
Um einerseits den Zugang zur Versorgung der Bevölkerung nur solchen Anbietern von heilkundlichen Leistungen zu erlauben, andererseits einen Überblick über die vorhandenen Anbieter zu gewinnen, sollte das Angebot heilkundlicher Leistungen von einer Genehmigung abhängig gemacht werden. Derzeit gelten Genehmigungserfordernisse zwar im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung (§ 95 SGB V) und in der stationären Versorgung (§§ 108 ff. SGB V für die GKV, § 30 GewO für Privatkrankenanstalten), nicht aber in der ambulanten Versorgung außerhalb der GKV. Auch bei Privatbehandlungen oder Selbstzahlerleistungen, die durch juristische Personen des Privatrechts angeboten werden, muss der Schutz von Patientinnen und Patienten gewährleistet und eine aus-reichende Behandlungsqualität sichergestellt sein.
Die Genehmigung sollte daher vergleichbar zu den bestehenden Regelungen der §§ 30 GewO und 95 SGB V nur erteilt werden, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind. Zur Konkretisierung der Voraussetzung kann einerseits auf die erforderlichen strukturellen Merkmale bei MVZ (Kreis der gründungsberechtigten Gesellschafter, Anforderung an Personalausstattung und Geschäftsführung) oder verschiedene landesrechtliche Regelungen für die Beschäftigung von Ärztinnen und Ärzten bzw. Zahnärztinnen und Zahnärzten bei juristischen Personen des Privatrechts (vgl. zum Beispiel § 30a Abs. 2 HBKG Baden-Württemberg) zurückgegriffen werden.
Um für Patientinnen und Patienten Transparenz über die Behandelnden und die hinter den Behandelnden stehenden Personen oder Gesellschaften zu schaffen, sollte, zum Beispiel anhand der für die Genehmigung vorzulegenden Informationen, ein frei zugängliches Register geschaffen werden.
Zu Ziff. 2: Einflussnahme auf ärztliche Entscheidung sanktionieren
Gerade bei unternehmerisch geführten Anbietern heilkundlicher Leistungen besteht die Gefahr, dass das Spannungsfeld zwischen kaufmännischen und medizinischen Prioritäten ärztliche Entscheidungen beeinflusst. Dabei besteht insbesondere bei den abhängig beschäftigten Ärztinnen und Ärzten bzw. Zahnärztinnen und Zahnärzten von gewerblichen Anbietern von Heilkunde die Gefahr, dass ärztliche Entscheidungen beeinflusst werden. Missbräuchliche Einflussnahmen sind zu untersagen.
Zu Ziff. 3: Krankenhaus-MVZ versorgungsfördernd einsetzen
Da insbesondere die für Krankenhausträger bestehende Möglichkeit, ein MVZ zu gründen, Missbrauchspotential bietet, sollten sich die Möglichkeiten der Krankenhäuser an der Zielsetzung dieses Zugangs zum ambulanten Sektor ableiten. Probleme an der Sektorengrenze können nur dort abgebaut werden, wo es Probleme gibt, also dort, wo das Krankenhaus räumlich und fachlich tätig ist.
MVZ-Gründungen sollten daher nur in den Fachgebieten möglich sein, in denen das Krankenhaus einen Versorgungsauftrag hat und sich auf den Einzugsbereich des Krankenhauses beschränken. Dabei kann beispielsweise auf das krankenhausplanungsrechtliche Versorgungsgebiet (vgl. zum Beispiel Ziff. 7.2 KH-Plan Hessen, Ziff. 4.4. KH-Plan BW) abgestellt werden, in dem das Krankenhaus tätig ist. Ausnahmen sollten in Regionen bestehen, in denen eine Unterversorgung droht oder bereits besteht.
Ziff. 4: Freiberufliche Tätigkeit fördern
Um die Freiberuflichkeit zu fördern und die Nachhaltigkeit einer freiberuflichen Unternehmensgründung zur Sicherstellung der Versorgung zu gewährleisten, sollten die Zulassungsgremien auch die Bereitschaft, einen Versorgungsauftrag in freiberuflicher Tätigkeit zu erfüllen, bei der Auswahlentscheidung im Rahmen des Nachbesetzungsverfahrens gemäß § 103 Abs. 4 S. 5 SGB V berücksichtigen dürfen.
Ziff. 5: Keine systemfremden Gewinnabflüsse
75 Prozent der in Deutschland von 2013-2018 übernommenen Einrichtungen und fremdkapitalfinanzierten MVZ im Gesundheitswesen wurden von Fonds gekauft, die „Offshore-Standorte“ haben. Sie sind beispielsweise in Guernsey, Jersey, Luxemburg oder auf den Cayman-Islands registriert. Ermittelt man die Zahlen aufgesplittet nach Mitarbeitern oder dem Umsatz der Unternehmen, kommt man sogar auf 87 Prozent Offshore-Anteil. Die Versichertenbeiträge müssen aber möglichst vollständig für die Gesundheitsversorgung zur Verfügung stehen.