BFA Arbeit und Soziales
Schwerbehindertenvertretungen stärken
Schwerbehindertenvertretungen stärken
Das Ehrenamt der betrieblichen Schwerbehindertenvertretung ist seit über 100 Jahren gesetzlich verankert. Kümmerten sich die damaligen Vertrauensmänner zunächst um die Kriegsversehrten der beiden Weltkriege, so sind die Schwerbehindertenvertretungen in den Betrieben und Dienststellen heute Helfer und Vertrauenspersonen ihrer schwerbehinderten Kolleginnen und Kollegen. Sie werden bundesweit in allen Betrieben mit mindestens fünf schwerbehinderten Beschäftigten alle vier Jahre gewählt und unterstützen die Betroffenen bei der Durchsetzung ihrer Rechte. Das tun sie mit großem Engagement und fundierter Expertise. Häufig agieren sie dabei als Expertinnen und Experten in eigener Sache und müssen sich innerhalb kürzester Zeit umfassende Fachkenntnisse aneignen.
Die FDP setzt sich für eine Stärkung der Schwerbehindertenvertretungen durch folgende Veränderungen ein:
- 1. Wir fordern für eine effektivere Amtsausübung der Schwerbehindertenvertretungen eine Verlängerung der Wahlperiode von derzeit vier auf zukünftig fünf Jahre. Der Legitimationszusammenhang zwischen den Wählerinnen und Wählern und der Schwerbehindertenvertretung bliebe bei der moderaten Verlängerung um ein Jahr auf jeden Fall erhalten.
2. Wir fordern eine Weiterentwicklung der Beteiligungsrechte der betrieblichen Schwerbehindertenvertretungen. Die derzeitige Aussetzungsregelung soll durch eine Unwirksamkeitsregelung ersetzt werden. Die ordnungsgemäße Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung muss künftig Wirksamkeitsvoraussetzung für den Vollzug einer Entscheidung durch den Arbeitgeber sein, wobei durch Schwerbehindertenvertretung und
Betriebsrat/Mitarbeitervertretung gegenüber dem Arbeitgeber nur Stellungnahmen wirksam sind, die nicht im Widerspruch zueinanderstehen. Bei Fragen, die die Belange der Beschäftigten mit Schwerbehinderung betreffen, ist zudem zukünftig die Schwerbehindertenvertretung vor anderen Gremien zu beteiligen.
3. Wir fordern, dass die Bearbeitung aller Ordnungswidrigkeitstatbestände im Bereich des Schwerbehindertenrechts des Sozialgesetzbuchs IX von der Bundesagentur für Arbeit auf die Bundeszollverwaltung übertragen wird (§ 238 SGB IX). Die Bundeszollverwaltung soll nach Abschluss eines Verfahrens die Schwerbehindertenvertretungen über den Ausgang informieren, sofern das Verfahren dieses Gremium betrifft.
4. Wir fordern die Errichtung eines Bundesbeirats von Schwerbehindertenvertretungen, der ein Anhörungsrecht bei Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene erhält. Dieser soll aus 30 Mitgliedern bestehen. Sie setzen sich anteilig aus Schwerbehindertenvertretungen der Unternehmen der DAX-40-Unternehmen, KMUs, Behörden und NGOs zusammen.
Begründung
Zu 1:
Die kurze Dauer der Wahlperiode kann gerade im Hinblick auf die Kontinuität der Arbeit hemmend wirken.
Zu 2:
Die Schwerbehindertenvertretungen stehen noch vor großen Herausforderungen. Sie werden vom Arbeitgeber beispielsweise nicht immer wie gesetzlich gefordert unverzüglich und umfassend unterrichtet oder vor einer Entscheidung angehört, wenn es um die Belange der von ihnen vertretenen schwerbehinderten Kolleginnen und Kollegen geht. Dabei sollen doch die Schwerbehindertenvertretungen mit sachdienlichen Hinweisen an der Willensbildung der Arbeitgeber mitwirken und somit dazu beitragen, dass behinderungsbedingte Nachteile ausgeglichen und gleiche Teilhabechancen für die schwerbehinderten Kolleginnen und Kollegen eröffnet werden.
Zurzeit gilt, dass eine Entscheidung des Arbeitgebers für eine Woche auszusetzen ist, wenn diese ohne die erforderliche Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung zustande gekommen ist. Diese Aussetzungsregelung läuft jedoch ins Leere, wenn die Entscheidung bereits vollzogen wurde. Eine effektive Interessenvertretung zugunsten der schwerbehinderten Menschen ist jedoch nur möglich, wenn wirksam sichergestellt ist, dass die Beteiligungsrechte zwingend beachtet werden und nicht allein vom guten Willen der Arbeitgeber abhängig sind. Das darf auch nicht nur für einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers gelten, sondern auch bei Maßnahmen im beidseitigen Einvernehmen, wie beispielsweise Abfindungsvereinbarungen.
Zu 3:
Wenn ein Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nicht wie vorgesehen beteiligt, handelt er ordnungswidrig. Die Schwerbehindertenvertretung selbst kann diesen bußgeldbewehrten Rechtsverstoß bei der Bundesagentur für Arbeit anzeigen. Die Bundesagentur für Arbeit befindet sich jedoch in einem zwiespältigen Verhältnis. Auf der einen Seite soll sie Arbeitgeber davon überzeugen, dass sie schwerbehinderte Menschen einstellen, und auf der anderen Seite soll sie Bußgelder für dieselben Arbeitgeber festlegen.
Von der Möglichkeit der Anzeige einer Ordnungswidrigkeit wird zudem in der Praxis nur äußerst selten Gebrauch gemacht. Das liegt unter anderem daran, dass die Schwerbehindertenvertretung im Ordnungswidrigkeitsverfahren keinerlei Informationen zum Ausgang des Verfahrens erhält. Sie erfährt somit regelmäßig nicht, ob ihre Beurteilung der Sach- und Rechtslage objektiv zutreffend ist und sie sich auch zukünftig bestärkt darauf berufen kann. Bisher kann eine Schwerbehindertenvertretung diese Erkenntnisse nur erlangen, wenn sie das wesentlich aufwändigere und kostenintensive arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren anstrengt.
Zu 4:
In der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien ist festgelegt, dass während des Gesetzgebungsverfahrens alle vom geplanten Gesetz betroffenen Verbände rechtzeitig beteiligt werden. Eine solche Beteiligung von Schwerbehindertenvertretungen erfolgt jedoch bisher nicht. Dies führt dazu, dass bei der Gesetzgebung die Belange der Schwerbehindertenvertretungen nur unzureichend berücksichtigt, werden können.