BFA Gesundheit
Nachhaltigkeit und Umweltschutz im medizinischen Bereich
Nachhaltigkeit und Umweltschutz im medizinischen Bereich
- Bei allen neuen Gesetzgebungen im gesundheitspolitischen Bereich sind ökologische Aspekte zu berücksichtigen und auf ihre Praxistauglichkeit zu überprüfen.
- Neben Dienstleistern im Gesundheitswesen sind auch die Hersteller in die Pflicht zu nehmen. Für eine nachhaltigere Produktion medizinischer Instrumente und Bedarfsmaterialien müssen zukünftig mehr recycelte Kunststoffe und Biokunststoffe verwendet werden. Zugelassen sind hier sogenannte „Medical Grade Plastics“. Medizinproduktehersteller sollten bei der Entwicklung und Produktion wiederverwendbarer Medizinprodukte unterstützt werden.
- Forschungsprojekte, Studien und Programme zum Thema „Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen“ sind stärker zu fördern.
- Verpackungsmüll im Gesundheitsbereich ist insgesamt zu reduzieren. Dies ist beispielsweise durch die Verwendung von Großgebinden (ggf. mit Möglichkeit der Auseinzelung) für regelmäßig benötigte Materialien sowie dem Weglassen von Umverpackungen zu erreichen. Zurzeit ist es aufgrund der SARS-2/Cov19-Pandemie beispielsweise erlaubt, Desinfektionsmittel selbstständig aus großen Kanistern in kleine Gebinde abzufüllen. Dies muss auch weiterhin zulässig sein. Etablierte Verfahrensabläufe sollten auf ihre tatsächliche Notwendigkeit überprüft werden, um somit nachhaltigkeitsbedenkliche, klimaschädliche Arbeitsschritte zu reduzieren (zum Beispiel Kunststofffolienverpackung von einzelnen in Kliniken verwendeten Textilstücken durch Großwäschereien).
- Die Produktion analoger Röntgengeräte ist zu befristen und der Einsatz digitaler Röntgentechnologie zu fördern. Diese kommt ohne umweltschädliche Chemikalien wie Entwickler- und Fixierflüssigkeiten aus, denn der herkömmliche Röntgenfilm wird durch digitale Speicherfolien oder Sensortechnologie ersetzt. Das spart das Lagern und Entsorgen schädlicher Lösungen.
Begründung
Wir Freie Demokraten bekennen uns zur Nachhaltigkeitsagenda 2030 der Vereinten Nationen und zum Pariser Klimaabkommen. Europa- und weltweit sollen die CO2-Emissionen massiv reduziert werden.
Das Gesundheitswesen ist nicht nur einer der größten Wirtschaftsfaktoren in Deutschland, es verbraucht auch enorme Ressourcen und hat damit eine beachtliche Relevanz für die Umwelt. Krankenhäuser sind mit sieben bis acht Tonnen Abfall pro Tag der fünftgrößte Müllproduzent in Deutschland. Ein Krankenhauspatient beispielsweise verbraucht am Tag durchschnittlich 80 kWh Wärmeenergie, bis zu 30 kWh elektrische Energie, rund 500 Liter Wasser und verursacht etwa 6 kg Abfall. Der Normalbürger hingegen braucht nur ein Sechstel dieser Menge. Hochgerechnet auf alle 2.210 Krankenhäuser in Deutschland, verursachen allein die Energiekosten mehr als vier Milliarden Euro jährlich (FN 1). Ähnlich sieht es in Arzt- und Zahnarztpraxen bundesweit aus. Mehr als die Hälfte aller Medizinprodukte sind aus Plastik. 2017 wurden 262.000 Tonnen Kunststoffe für den medizinischen Einsatz verwendet, insgesamt wurden 312.700 Tonnen an medizinischen Abfällen thermisch vernichtet.
Seit 2017 gilt EU-weit die Medizinprodukteverordnung, die die Wiederverwendung von Einweginstrumenten erleichtern soll. Gesammelt wird bisher meistens nur ein verschwindend kleiner Teil der Kunststoffe, wie etwa Verpackungsmüll der Krankenhausküche. Eine Reduzierung der Umweltbelastung ist notwendig – in stationären Einrichtungen ebenso wie in Arztpraxen.
Krankenhäuser, Arzt- und Zahnarztpraxen, die bewusst umweltfreundlich arbeiten wollen, stoßen bisher noch rasch an Grenzen. Häufig kommen nur Einwegprodukte infrage, wenn es darum geht, die gesetzlichen Vorgaben umzusetzen. Von mehr Umweltschutz und Nachhaltigkeit können Praxen und medizinische Einrichtungen jedoch auch profitieren und Kosten reduzieren: Wer zum Beispiel Stoßlüftung nutzt und nachhaltig wirtschaftet, maximiert Effizienz.
Auch ist Kunststoff nicht gleich Kunststoff: Polyvinylchlorid (PVC) enthält umweltschädliche Weichmacher und ist gesundheitsschädlich. Polyethylen dagegen enthält keine Weichmacher und lässt sich dank rückstandsloser Verbrennung zu Kohlenstoffdioxid und Wasser fast ohne giftige Nebenprodukte leichter entsorgen und gilt daher als umweltfreundlichere Alternative.
Eine digitale Bildgebung, die statt analoger Geräte bei der digitalen Röntgentechnologie verwendet wird, verringert die Strahlendosis für Patientinnen und Patienten und bietet gleichzeitig eine bessere Bildqualität. Die Bilder sind sofort verfügbar und bei entsprechender Vernetzung des Krankenhauses oder der Praxis überall abrufbar. Digitale Befunde lassen sich ohne zusätzlichen Transport an weiterbehandelnde Ärzte versenden und platzsparend sichern und archivieren. Nachhaltigkeit kann in Praxen mittlerweile von digitalen Geräten über eine digitale Praxisverwaltung, optimiertes Wasser- und Abfallmanagement bis hin zu intelligenter Materialverwaltung und biokompatibler Medizinprodukte reichen.
Die Berücksichtigung ökologischer Kriterien muss, wenn sinnvoll gestaltet und nicht mit zusätzlichem bürokratischen Aufwand verbunden, also zu keinem ökonomischen Nachteil führen. Im Gegenteil: Nachhaltigkeit in den Praxisalltag zu integrieren, kann nicht nur zu Umweltfreundlichkeit, sondern auch zu Zeitersparnis und mehr Komfort für Beschäftigte und Patientinnen und Patienten führen. Es gilt daher, Nachhaltigkeitsaspekte insgesamt – von der Gesetzgebung über die Herstellung und den Verbrauch bis in die Abläufe – stärker in den Blick zu nehmen.
FN 1 Quelle: Statistisches Bundesamt