Antragsbuch für den 74. Ordentlichen Bundesparteitag

LV Hamburg

Gesamtstaatliche Resilienz erhöhen

Gesamtstaatliche Resilienz erhöhen

Um gesamtstaatliche Resilienz zwischen Bund, Ländern und Kommunen sowie zwischen allen notwendigen Ministerien, Behörden und Hilfsorganisationen zum funktionsfähigen verteidigungspolitischen Instrument und zum Maßstab für innen- und außenpolitisches Handeln zu machen, fordern wir:

  1. 1. Das jüngst etablierte Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz unter dem BMI soll im Rahmen nachfolgender Kriterien weiterentwickelt werden:
    • Es soll eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden, deren Teilnehmer die beteiligten Ministerien und Behörden (unter anderem Bundeskanzleramt, AA, BMI, BBK, THW, Bundespolizei, BMVg, Nachrichtendienste und weitere noch zu benennende Beteiligte) sein sollen, die sich auf Unterabteilungsleiterebene fest institutionalisiert und regelmäßig einmal pro Monat treffen und eine ständige Berichtspflicht gegenüber ihren Ministerien – und möglicherweise einem zu etablierenden Nationalen Sicherheitsrat – haben. Die dort abzustimmenden Themen umfassen sieben Kernbereiche, um staatliche „Vitalfunktionen“ zu erhalten (sogenannte baseline requirements der NATO Force Structure, mehr Details siehe unten). Die gespiegelten Verantwortlichen aus den Ländern und Kommunen sollten gleichberechtigt unter der Regie des jeweiligen Bundeslandes mit eingebunden werden.
    • Das Einsetzen dieser Arbeitsgruppe soll so schnell wie möglich, spätestens aber zum Sommer 2023 erfolgt sein.
    • Diese föderale Aufteilung und Struktur von Resilienz – zum Beispiel liegt die Katastrophenhilfe in der Länderverantwortung, während der Bund für den Zivilschutz (Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG) zuständig ist – sollte im Hinblick auf eine effektive gesamtstaatliche Resilienz mit schneller, effektiver Handlungsfähigkeit überprüft werden und gegebenenfalls durch eine gemeinsam von Ländern und Bund erarbeitete Rechtslage (Gesetze und Verordnungen) rechtlich abgesichert werden.

  2. 2. Unterhalb dieser AG „Gesamtstaatliche Resilienz“ ist eine Operative Ebene „Gesamtstaatliche Resilienz“ mit Vertretern des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr, dem BKK, der Polizei, THW und weiteren zu benennenden Beteiligten zu etablieren, um konkrete Handlungsfelder, Personalbedarf, logistische und infrastrukturelle Anforderungen auszuplanen und zu detaillieren. Die Operative Ebene verbindet alle relevanten Akteure und ist für die Versorgungssicherheit und den Schutz kritischer Infrastruktur verantwortlich.

  3. 3. Einführung regelmäßiger Übungen in Vorbereitung auf den Ernstfall analog zur Übung „Total Defence 2020“ in Finnland und in Übereinstimmung mit dem European Centre of Excellence for Countering Hybrid Threats, das sowohl von der EU und NATO unterstützt wird.

Begründung

Zur effektiven Begegnung zukünftiger Krisen- und Katastrophenfälle ist ein gesamtstaatlicher Ansatz notwendig, um Bundes-, Landes- und Kommunalregierungen, Notfalleinsatzdienste (THW, Feuerwehr), Polizei und in bestimmten Fällen Bundeswehr, Unternehmen der Nahrungs-, Energie- und Wasserversorgung effektiv zusammenzubinden und damit auftretenden Krisen wirksam zu begegnen. Es braucht eine gesamtstaatliche Resilienz, das heißt eine Widerstandsfähigkeit von Staat und Gesellschaft, weil Risiken – wie Cyberangriffe, Katastrophen wie Sturmfluten, unterschwellige Bedrohungen wie die Unterminierung des demokratischen Zusammenhalts von außen – komplex einzuordnen sind und nur vernetzt bekämpft werden können. Gleichzeitig verwischen hybride Bedrohungen bereits heute die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit, zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren. Beispiele sind Cyberangriffe und gezielte Desinformationskampagnen. Abhängigkeiten von komplexen Versorgungs- und Lieferketten – wie jüngst in der Pandemie und dem Ukrainekrieg – zeigen wirtschaftliche Verwundbarkeiten auf, die schwerwiegende sicherheitspolitische Folgen haben können.

Das Ziel gesamtstaatlicher Resilienz ruht dabei auf „Vitalfunktionen“, die von der NATO Force Structure als sogenannte baseline requirements tituliert werden: Kontinuität der Führung von Regierung und Verwaltung, Energie-, Nahrungs- und Wasserversorgung, Sicherung der Kommunikations- und Verkehrssysteme sowie der Umgang mit unkontrollierten Bevölkerungsbewegungen mit möglichen Opferzahlen. Diese Vitalfunktionen sind im Friedensfall und erst recht in der Krise sowie im Spannungs-/Verteidigungsfall unbedingt aufrechtzuerhalten.

Die bundesdeutsche Realität: Resilienz ist bereits im Weißbuch der Bundesregierung 2016 als Widerstands- und Adaptionsfähigkeit von Staat und Gesellschaft als Ziel verankert. In der Praxis bleiben jedoch die Silos in Resilienz-relevanten Bereichen bestehen. Unterschiedliche Kompetenzen liegen bei Bund, Ländern, Kommunen. Zum Beispiel ist der Zivilschutz (Schutz der Bevölkerung im Kriegsfall) Aufgabe des Bundes – Katastrophenschutz (Schutz vor beispielsweise Naturkatastrophen) ist Ländersache. Ehrenamtliche Organisationen und auch private Unternehmen werden in die Schutzaufgaben ad hoc mit eingebunden. Auf Bundesebene sind die Kompetenzen zwischen Auswärtigem Amt, BMI und BMVg verteilt.

Um eine gesamtgesellschaftliche Sicherheit bestmöglich zu gewährleisten, müssen die genannten Ministerien, Ressorts und Organisationen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene bestmöglich koordiniert werden, müssen sämtliche Sektoren reibungslos zusammengebracht werden und aufeinander abgestimmt handeln. Es ist nicht nur ressortübergreifendes, sondern gesamtstaatliches Handeln und klar durchdelegierte Verantwortungsübernahme gefragt!

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